7,13 Wir wollen uns früh aufmachen zu den Weinbergen, wollen sehen, ob der Weinstock ausgeschlagen ist, die Weinblüte sich geöffnet hat, ob die Granatapfelbäume blühen; dort will ich dir meine Liebe schenken.

Das ist Sulamiths Plan für den kurzen Eheurlaub. Sie knüpft an die Erfahrungen ihrer jungen Liebe an. Damals hat Salomo sie in die Natur hinaus gezogen, jetzt zieht sie ihn. Sie sucht einen Ort, der sie an ihre junge Liebe erinnert und der voller Bilder für Überfluss, Fruchtbarkeit und Segen ist. Blühende Weinberge (Hohelied 2,15) und Granatapfelbäume (Hohelied 6,11) stehen bildhaft für den Genuss der Beziehung. Wenn Sulamith davon spricht, dass sie nachschauen will, ob die Weinblüte sich geöffnet hat und die Granatapfelbäume blühen, dann will sie wissen, ob ihre Liebe noch in alter Frische vorhanden ist.
Es gibt Wochen und Monate, die so voller Aufgaben sind, dass wir nicht mehr genau sagen können, wie es um unsere Liebe steht1). Deshalb braucht es besinnlich-intime Momente, die uns neu sehen und erleben lassen, dass wir einander lieben.
An dieser Stelle ein skeptisches Wort: Ich glaube, dass Salomo mit seinen Aussagen im Hohelied Recht hat. Außerdem glaube ich, dass das Hohelied Gottes Wort ist. Aber ich glaube nicht, dass viele Christen aufgrund von Hohelied 7,13-14 ihr Leben umstellen werden. Der Umgang mit der Bibel ist - auch unter sogenannten Evangelikalen - katastrophal. Wir lesen sie wenig, lernen noch weniger Bibelverse auswendig2) und bleiben bei Verständnis und Anwendung oft auf Kindergottesdienst-Niveau stehen. Ich glaube, dass Gott uns ein ganzes Buch über „Leidenschaft“ schreiben kann und wir schaffen es, das Buch zu studieren und am Ende nicht zu tun, was es so offensichtlich von uns fordert.
Es gibt in der deutschen, evangelikalen Welt ein existenzielles Defizit. Wir lesen (oder hören), aber die Umsetzung folgt nicht. Tief in unserem Innern glauben wir nicht daran, dass wir nur das sind, was wir tun (vgl. Lukas 6,43-45). Wir betrügen uns selbst und denken, dass es für Christen genug ist, das „Gute, Wohlgefällige und Vollkommene“ (Römer 12,2) zu kennen, und wir verwerfen Jakobus, wenn er schreibt, dass „nicht ein vergesslicher Hörer, sondern ein Täter des Wortes … in seinem Tun glückselig“ sein wird (Jakobus 1,25).
Ich habe keine Ahnung, warum das so ist, und bin als Prediger oft darüber frustriert. Deshalb an dieser Stelle eine Bitte: Lasst das Hohelied als Appell für Leidenschaft in der Ehe nicht vorbeiziehen, ohne wenigstens drei konkrete Veränderungen an eurem Ehealltag vorzunehmen. Viele von uns - mich auch - überfordert das Salomo-Sulamith-Ideal, aber wir können uns ihm Schritt für Schritt annähern.
Vielleicht reicht ein Leben nicht aus, um so leidenschaftlich zu werden, wie Salomo und Sulamith es uns vormachen, aber das sollte uns nicht davon abhalten, wenigstens ein paar Schritte in die richtige Richtung zu gehen. Stell dir einmal vor, wie es wäre, wenn christliche Gemeinden dafür bekannt wären, dass man dort auf überdurchschnittlich viele glückliche Ehepaare trifft. Das wäre ein tolles Zeugnis für die lebensverändernde Kraft und die Wahrheit des Evangeliums.

1)
Das ist insbesondere ein Problem von Christen, die sich neben dem Beruf stark in der Gemeinde engagieren. Auch sogenannte „Vollzeitler“, Angestellte von Gemeinden, laden sich leicht zu viele Aufgaben auf. Ich kann nur dringend raten, der eigenen Ehe genug Zeit im Terminkalender einzuräumen. Ist die Ehe erst einmal kaputt, ist der restliche Dienst auch erledigt. Darüber hinaus weist uns 1Timotheus 3,4 darauf hin, dass gute Leiter in der Gemeinde ihre Leitungsqualität im Rahmen der Familie unter Beweis stellen müssen. Eine Frau, die ihren Mann, oder ein Mann, der seine Frau vernachlässigt, eignen sich nicht als gemeindliche Mitarbeiter.
2)
Solltest du doch daran Interesse haben, findest du hier hilfreiche Tipps: Bibleverse