3,11a Kommet heraus, Töchter Zions, und betrachtet

Hier würde man nun Sulamith als Objekt der Begierde erwarten, aber die ist in der Sänfte noch nicht zu sehen. Sehen können die Töchter Zions nur Salomo, wie er in königlicher Pracht seinem Hochzeitszug voran geht1).
Bei Zion handelt es sich um eine Burganlage der Jebusiter (2Samuel 5,7) an der südöstlichen Stadtgrenze von Jerusalem. Der Begriff Zion wird in der Bibel als Synonym für „Jerusalem“ benutzt.

3,11b den König Salomo mit2) der Krone, mit welcher seine Mutter ihn gekrönt hat

Die Freude an der Vermählung durchzieht die ganze königliche Familie. Vielleicht fehlt der Vater, David, weil er schon gestorben ist. Andererseits muss dieses Lied keinen realen historischen Hintergrund besitzen. Es ist ein Lied und Poesie ist nicht Geschichtsschreibung.
Ein Tipp an alle Schwiegermütter: Zeige offen, wie sehr du dich über die Hochzeit deines Kindes freust. Zu viele Schwiegermütter haben durch einen Mangel an Begeisterung oder durch unnötige Kritik den Ehepartnern ihrer Kinder das Leben schwer gemacht und den Titel „Schwiegermutter“ zum Synonym für „Monster“ werden lassen. Ein Hochzeitstag ist ein Freudentag und sollte als solcher begangen werden. Es mag sein, dass dein Schwiegersohn kein Prinz und deine Schwiegertochter keine Lady ist; nur ist das von heute an nicht dein Problem! Du musst nicht mit ihm/ihr leben. Also: Zähne zusammenbeißen, Mund halten, lächeln und alles tun, damit der Tag ein voller Segen und Genuss für alle Beteiligten wird. Sogar wenn deine Kritik gerechtfertigt sein sollte, wirst du auf diese Weise - und nur auf diese Weise - eine Grundlage für gute zukünftige Gespräche schaffen. Erst gewinnt man das Herz und dann den Kopf, aber Kritik ohne ein Fundament aus Liebe kommt nie an.
Salomos Mutter jedenfalls tut das Richtige und krönt Salomo - wie in der Antike üblich - mit einer Hochzeitskrone3) (vgl. Jesaja 61,10).

3,11c am Tage seiner Vermählung und am Tage der Freude seines Herzens!

Hier findet sich ein merkwürdiger Bruch im Text. Eben liegt der Blick auf der herannahenden Hochzeitskarawane, aber ab Hohelied 4,1 lesen wir nichts mehr von einer Ankunft, vom Eheversprechen und den folgenden Feierlichkeiten.
Warum ist das so? Weil es sich um ein Liebeslied handelt und die Gäste für die Beziehung der Eheleute keine Rolle spielen. Hohelied 4,1-7 spielt sich zwar während der Feierlichkeiten ab, aber die beiden Liebenden haben nur Augen füreinander. Ihre Beziehung ist keine Show, die man vor anderen spielt und die wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt, sobald man alleine ist. Es ist gerade umgekehrt. Sogar inmitten der königlichen Hochzeit kann Salomo nur eines tun: Sulamith bewundern und sich nach mehr Intimität sehnen.

Macht es für euren Umgang miteinander einen Unterschied, ob ihr allein seid oder ob ihr euch in Gemeinschaft mit anderen Menschen befindet (zum Beispiel Gottesdienst, Geburtstagsparty, Grillfest usw.)? Wann geht ihr „lieber“ miteinander um? Warum gibt es den Unterschied?


1)
In 1Makkabäer 9,37-41 wird eine Szene beschrieben, in der ein Bräutigam mit seinen Freunden unter fröhlichem Singen und mit starker Bewaffnung inmitten eines Hochzeitszuges erkannt werden kann.
2)
Wörtlich: „in der Krone“
3)
Diese Sitte ist heute im Judentum durch das Zerbrechen eines Weinglases ersetzt, mit dem man an die Zerstörung von Jerusalem im Jahr 70 n.Chr. erinnert. Der Schmerz über diesen Verlust soll auch am glücklichsten Tag des jüdischen Lebens nicht verloren gehen.