6,11 In den Nussgarten ging ich hinab, um die jungen Triebe des Tales zu besehen, um zu sehen, ob der Weinstock austreibt, ob die Granatapfelbäume blühen.

Jetzt redet Sulamith. In Hohelied 5,2 hat Salomo an Sulamiths Tür angeklopft und wollte in „seinen Garten“ gehen, aber sie hatte keine Lust. Sulamith nimmt das Bild eines Spaziergangs im Kidron-Tal, das auch den Namen Wadi al-Jos (Wadi der Walnussbäume) trägt, um zu beschreiben, wie sie bewusst die Nähe ihres Ehemanns sucht. Nachdem sie weiß, wie bedingungslos er sie liebt und dass er nie den Garten, das heißt den Ort der Liebe verlassen hat (Hohelied 6,2), geht sie jetzt zu ihm. Ihre Umkehr ist echt und sie bringt der „Buße würdige Werke“ (Apostelgeschichte 26,20).
Der blühende Weinstock und der Lustgarten von Granatapfelbäumen sind schon vorher als Bild für den Genuss der Liebe verwendet worden (Hohelied 2,15; 4,13). Der Spaziergang in den Nussgarten ist ein Bild für die praktische Seite der Versöhnung. Sie kann stattfinden, weil (1) Salomo sich nicht zum Zorn oder zur Lieblosigkeit hinreißen lässt und weil (2) Sulamith nicht einfach „ihr Ding durchzieht“, sondern sich zurechtbringen lässt und auf die Bedürfnisse ihres Mannes eingeht. Und das umso mehr, als es sich um ganz gerechtfertigte Bedürfnisse seinerseits handelt (1Korinther 7,3-5).
Die neunte Lektion zum Thema „Ehekrach“ lautet: Übernimm die Verantwortung für dein falsches Verhalten und tu das Richtige!
Es ist nicht genug, nach einem Streit um Vergebung zu bitten! Die Bitte um Vergebung ist wichtig und richtig, aber nicht genug. Jeder hat ein Recht auf seine eigenen Bedürfnisse! Deshalb muss die Ursache eines Streits identifiziert und das nicht befriedigte Verlangen gestillt werden. Kochen Probleme in der Ehe hoch, lohnt es sich, nach dem eigentlichen Grund zu suchen1). Bedürfnisse wollen erkannt, artikuliert und gestillt werden. Wenn das nicht wie im Fall von Salomo und Sulamith so leicht möglich ist, helfen weder das Ignorieren der Ursachen noch das sture Beharren auf dem „eigenen Recht“ weiter. Nein, es muss nach einem Kompromiss gesucht werden, der für beide Partner in Ordnung ist. Hat man ihn gefunden, schafft das die Voraussetzung dafür, dass Eheleute immer sensibler füreinander und glücklicher miteinander werden.

Welche Bedürfnisse wurden bei euren letzten drei Streitanlässen nicht gestillt? Welcher Mangel war ausschlaggebend für die Auseinandersetzung?

Bittet ihr einander nach einem Streit um Vergebung, benennt die Sünde, die ihr getan habt, und sprecht einander Vergebung zu?

Könnt ihr spontan zwei „lebbare Kompromisse“ benennen, die ihr in den letzten drei Jahren eingegangen seid, um euch in eurer Unterschiedlichkeit anzunähern?


1)
Handelt es sich um Sünde, muss sie angesprochen werden (Lukas 17,3).