5,6a Ich öffnete meinem Geliebten, aber mein Geliebter hatte sich umgewandt, war weitergegangen. Ich war außer mir, dass er gegangen war.

Die Tatsache, dass Salomo gegangen ist, trifft Sulamith wie ein Schlag. Der Ausdruck ich war außer mir (wörtlich: meine Seele verließ mich; vgl. 1Mose 35,18 für das Sterben von Rachel) beschreibt tiefste Enttäuschung gepaart mit übelsten Gewissensbissen. So reagiert eine Frau, die liebt! Liebe lässt uns die Fehler, die wir in der Beziehung begehen, erkennen, weil sie sich nicht taktlos benimmt und sich nicht an ungerechtem Verhalten freuen kann (1Korinther 13,6). Liebe macht uns sensibel für die Bedürfnisse des Ehepartners und bereit, in die Beziehung zu investieren. Sie treibt uns dazu an, wiedergutzumachen, was wir verbockt haben.

Das Hohelied beschreibt ein Ideal. Oft genug ist unsere Liebe nicht so ausgeprägt, dass wir einen Fehler sofort einsehen. Wenn das der Fall ist, dann dürfen (und sollten) sich Ehepartner dabei helfen, Sünden zu erkennen und einzusehen. Sünden sind so lange kein Problem für eine Beziehung wie sie als Problem nicht zwischen den Liebenden, sondern vor den Liebenden stehen. Eine Sünde zu erkennen, ist ein großes Geschenk. Wir sollten uns deshalb darin unterstützen, Sünde aufzudecken und in der Heiligung zu wachsen. Der Prozess selber muss jedoch von Liebe geprägt sein und nicht von Streit, Bitterkeit oder Geschrei.

Wie sehr trifft es euch (als Schuldgefühl), wenn ihr merkt, dass ihr einander vernachlässigt oder enttäuscht habt? Wie sehr ist euch der Partner egal?


5,6b Ich suchte ihn, aber ich fand ihn nicht; ich rief ihn, aber er antwortete mir nicht. (siehe Hohelied 5,7)