1,13 Mein Geliebter ist mir ein Beutelchen Myrrhe, das zwischen meinen Brüsten ruht.

Salomo ist für Sulamith eine sinnliche Erfahrung. Wenn sie an ihn denkt, dann kann sie ihn „riechen“. Und er riecht gut!
Bei Myrrhe handelt es sich um ein Baumharz, das in Südarabien gewonnen wird. Es kann, ähnlich wie Weihrauch, als Räucherwerk verbrannt oder in Öl zu wohlriechenden Salbölen verarbeitet werden (vgl. in 2Mose 30,23-25 das heilige Salböl). Myrrhe wurde in der Antike als Aphrodisiakum zur Steigerung von Lust und Sinnlichkeit verwendet. Frauen und Männer trugen es als Parfüm, um verführerischer zu wirken, Polster wurden vor dem Geschlechtsverkehr damit beträufelt und es war für Frauen üblich, mit einem Flakon Myrrhe ins Bett zu gehen.
Ob Myrrhe tatsächlich die Produktion von Pheromonen (Sexuallockstoffen) anregt, kann ich nicht sagen, aber was Sulamith ausdrücken will, liegt auf der Hand: Mein Geliebter ist mir wie ein betörender Geruch, dem ich mich nicht entziehen kann, der mich verführt und mir auf intime Weise ganz nahe ist. Stell dir vor, eine Frau würde heute zu ihrem Mann sagen: „Du bist für mich eine sinnliche Versuchung. Wenn ich in deiner Nähe bin, habe ich Lust auf mehr!“ Eine solche Frau wird nie das Herz ihres Mannes verlieren.
Das Beutelchen Myrrhe ist nicht unbedingt ein Beutel, weil die meisten Aromastoffe in Palästina auf Olivenölbasis hergestellt wurden. Ein solches Parfüm kann man nicht in einem Beutel aufbewahren, sehr wohl aber in einer geschlossenen Flasche, die von Zeit zu Zeit geöffnet wird. Archäologische Funde bestätigen unter anderem Parfümfläschchen aus Alabaster, Elfenbein und Holz.