8,7a Große Wasser vermögen nicht, die Liebe auszulöschen, und Ströme überfluten sie nicht.

Echte Liebe wird auch von großen Wassern, das heißt großen Schwierigkeiten und Problemen weder ausgelöscht, noch überflutet. Das Bild einer Überflutung enthält alle Elemente des Zerstörerischen: Unterspülung der Fundamente, Weg¬schwemmen eines Hauses oder nachhaltige Schäden durch Feuchtigkeit und Schimmel. Liebe ist ein Bollwerk, gegen das keine Naturgewalten, das heißt keine noch so widrigen Umstände und Belastungen, ankommen.
So ist die Liebe Christi zur Gemeinde oder die Liebe Gottes zu den Menschen. Nicht einmal das Problem „Sünde“ kann Gott davon abhalten, Liebe bis zum letzten Atemzug zu leben.
Vielleicht liegt hier eines der großen Probleme unserer Zeit. Wir leben eine Liebe, die eigentlich den Namen „Liebe“ nicht mehr verdient, weil wir die Liebe von vornherein beschneiden und uns nicht mehr auf ihre Dynamik und ihren allumfassenden Anspruch einlassen. Unsere Gesellschaft sehnt sich nach dem verzehrenden Feuer echter Liebe und hat gleichzeitig Angst davor. Wir besingen sie in ungezählten, schmalzigen Liebesliedern, aber tun uns schwer, sie zu leben.
Während ich diese Zeilen schreibe, stelle ich mir selbst die Frage, wie es um meine eigene Ehe steht. Und ich muss mir eingestehen, dass ich auch einer bin, der hinter Gottes Ideal zurück bleibt. Das Hohelied fordert mich heraus und hält mir einen Spiegel hin, auf dem die Frage steht: Liebst du so deine Frau? Möchte ich so sehr mit meiner Frau eins werden, wie Sulamith sich das im Blick auf Salomo wünscht?
Und wenn die Antwort nein ist (wie ich es von den meisten Lesern erwarten würde), warum fühlen wir uns so gut dabei? Kommt es vielleicht daher, dass wir uns mit anderen vergleichen, halbwegs gut dabei abschneiden und nicht weiter mit Fragen zum Thema Leidenschaft, wahrer Liebe und Romantik belästigt werden wollen? Ich jedenfalls werde von Sulamith herausgefordert. Sie lässt mich mit ihrem Anspruch an Beziehung nicht los. Ich möchte es lernen, so zu lieben. Und wenn es nur aus einem einzigen Grund wäre: weil Gott mich so liebt!
Ich würde so eine Liebe gern zum Prinzip erheben, das mein Leben regiert. Gott scheint es wichtig zu sein, dass wir nicht nur „gute Werke“, sondern gute Werke aus Liebe tun (vgl. 1Korinther 13,1ff). Und Liebe fängt da an, wo ich mich auf Menschen einlasse, mich verschenke und verliere.

8,7b Wenn ein Mann allen Reichtum seines Hauses für die Liebe geben wollte, man würde ihn nur verachten.

Wahre Liebe ist so wertvoll, dass aller Reichtum nicht genügt, um sie zu kaufen. Ein Mann, der das versuchte, man würde ihn nur verachten. So jemand hat nicht verstanden, dass Liebe das größte Geschenk ist, das ein Mensch erhalten kann. Selbst Salomo ist nicht wohlhabend genug, um sich Sulamiths Liebe kaufen zu können. Sie liebt seinen Charakter, nicht sein Geld oder sein Prestige.