6,4 Du bist schön, meine Freundin, wie Tirza, lieblich wie Jerusalem, furchterregend wie Kriegsscharen.

Jetzt redet Salomo zu Sulamith. Sein erster Vergleich ist nicht ganz einfach. Dass man Städte mit Frauen vergleicht (zum Beispiel Babylon in Jesaja 47,1ff) mag noch nachvollziehbar sein, aber wo liegen die übereinstimmenden Punkte, wenn eine Frau mit einer Stadt verglichen wird? Es sind zwei Aspekte, die im Bild der Stadt zusammen¬fließen: Eleganz und Selbständigkeit.
Tirza war die frühe Hauptstadt des Nordreiches und diente Omri und seinen Nachkommen als Residenzstadt. Ausgrabungen haben ungewöhnlich gut gebaute Häuser zu Tage gefördert. Zusammen mit der landschaftlich reizvollen Lage muss Tirza zur Zeit Davids eine Stadt gewesen sein, die für ihre Schönheit und Stärke bekannt war.
Für Salomo ist Sulamith so hinreißend wie Jerusalem, die Hauptstadt mit der Tempelanlage, den Mauern und dem Palast. Und sie ist furchterregend wie eine Armee von Soldaten (vgl. Hohelied 6,10). Mit diesen Worten will Salomo zum Ausdruck bringen, dass sie durch ihr Fehlverhalten in seinen Augen weder an Schönheit noch an Würde verloren hat. Offenbar sieht Salomo die Gefahr, dass Sulamith denken könnte, sie wäre in seinen Augen nun nichts mehr wert. Gerade der Vergleich mit furchterregenden Kriegsscharen soll ihr verdeutlichen, dass er sie als eigenständiges, starkes Gegenüber achtet. Ihr Fehler ändert daran gar nichts. Sie ist für ihn eine echte, ihm entsprechende „Gehilfin“ (1Mose 2,18), eine starke Frau, selbstbewusst, mit Ausstrahlung, kraftvoll und stabil. Sie hat als Königin nicht ausgedient und muss sich nicht unterwürfig zeigen, um Vergebung zu erfahren.
Salomo hat kein Problem damit, dass sie sich falsch verhalten hat. Er nutzt die Situation nicht aus, um sie herabzusetzen oder ihr Selbstwertgefühl zu demolieren. Er baut sie vielmehr auf. Salomo kramt auch nicht alte Geschichten hervor und serviert sie brühwarm, um ihr zu zeigen, wie schlimm sie „wirklich“ ist. Die Liebe „rechnet Böses nicht zu“ (1Korinther 13,5), führt kein Sündenkonto und weiß, wie entzweiend das Auftischen von alten Vergehen wirken kann (Sprüche 17,9).

Welche Erfahrungen macht ihr miteinander nach einem Streit? Nutzt einer von euch solche Situationen aus, um „dreckige Wäsche zu waschen“ und mit dem Partner abzurechnen?


Die siebte Lektion zum Thema „Ehekrach“ lautet: Es wird nicht nachgetreten!
Es ist schlimm genug, dass der Teufel für einen Moment einen Mini-Sieg einfahren durfte, es ist nicht nötig, dass er noch mehr Zerstörung in eine Beziehung hineinträgt. Der Apostel Paulus drückt sich sehr deutlich aus, wenn er über solche Momente schreibt: „Gebt dem Teufel keinen Raum“ (Epheser 4,28). Leider verwandeln sich Momente moralischer Überlegenheit leicht in Sünde, wenn man anfängt, auf den Partner als „Sünder“ herabzublicken, und meint, dass sein Fehler einem das Recht geben würde, nun auch ein klein bisschen gemein zu sein. Gebt dem Teufel keinen Raum!