1,1 Die Weissagung, die Habakuk, der Prophet, geschaut hat.

Hinter dem Begriff Weissagung versteckt sich eine doppelte Bedeutung. In ihm fließen „Rede“ und „Last“ zusammen. Er beschreibt im prophetischen Kontext, den Inhalt und die Bürde, die Gott dem Propheten mit seiner Botschaft auferlegt.
Als Prophet war Habakuk ein „Mund Gottes“, mit dem Israels Bundesgott nicht weniger als die Eroberung Israels durch die Babylonier ankündigte. Wir wissen über die Person Habakuk eigentlich nichts1). Wie Johannes der Täufer ist er eine Stimme, die im Auftrag Gottes ruft, und die Person dahinter spielt eine untergeordnete Rolle. Sie muss gehört werden, weil sie durch Gott selbst autorisiert wird.
Mit der Formulierung geschaut wird angedeutet, dass der Prophet sich die Botschaft nicht ausgedacht hat, sondern tatsächlich zum Empfänger einer übernatürlichen Vision geworden ist.
Am Rande sei erwähnt, dass nicht nur die Antwort Gottes, sondern auch das fragende Klagen des Propheten Teil der Weissagung geworden ist. Inspiration beginnt also nicht mit den Erklärungen, sondern mit dem geistgeleiteten, richtigen Fragen.


1)
Wegen der Formulierung „mit meinem Saitenspiel“ (Habakuk 3,19) sehen Ausleger in Habakuk einen levitischen Musiker und Propheten im Jerusalemer Tempel. Vielleicht ist diese Sicht richtig, beweisen kann man sie aber nicht.