Sprüche 2,1.2

Sprüche 2,1.2
Mein Sohn, wenn du meine Reden annimmst und meine Gebote bei dir verwahrst,

indem du dein Ohr auf Weisheit merken lässt, dein Herz neigst zum Verständnis;

Wenn der Sohn eine Chance haben will, den Einflüsterungen des Zeitgeistes und der falschen Freunde zu entgehen, muss er sich ernstlich mit der Suche nach Weisheit beschäftigen. Er muss sein Ohr und sein Herz1), also seine physischen und intellektuellen Möglichkeiten einsetzen, um die Reden seines Vaters erst anzunehmen und dann zu verwahren2). Was Salomo fordert ist volles Engagement. Hier wird übrigens ganz nebenbei vorausgesetzt, dass der Vater (und die Mutter) selbst Weisheit besitzt. Seine Reden sind die Weisheit, auf die der Sohn hören soll. Wenn der Vater von seinem Kind fordert, seine Gebote zu verwahren, dann kann er das nur tun, weil er in seinem eigenen Herzen einen Schatz an Weisheit trägt, den er selbst wiederum von seinen Eltern bekommen hat3). Hinter biblischer Erziehung steckt also die Idee eines Staffellaufs. Weise Eltern geben ihr persönliches Wissen mit Nachdruck an die eigenen Kinder weiter; und so lernen diese die „Furcht des HERRN“ (Sprüche 2,5).

Hast du als Vater oder Mutter Zeiten, in denen du dich mit deinen Kindern hinsetzt, um ihnen Weisheit zu vermitteln4)? Womit verbringt ihr als Familie die Abende? Bleibt da noch Zeit zum Reden?


Weniges ist für eine Erziehung verderblicher als wenn Eltern ihren Kindern einen Maßstab aufzwingen wollen, nach dem sie selbst nicht leben (oder den sie nicht verstanden haben). Erziehung ist deshalb zu allererst eine Frage des elterlichen Charakters. Was Väter und Mütter vor allem brauchen ist ein eigenes, tiefes Verständnis göttlicher Weisheit5), das ihr Leben praktisch sichtbar prägt, von dem sie zutiefst überzeugt sind und das sie ihren Kinder weitergeben wollen. Wenn der Vater seine Reden als Gebote bezeichnet, dann um damit die autoritative Wucht zu unterstreichen, die sich hinter einer Erziehung verbirgt, die ihre Inhalte der Bibel entnimmt. Formal mögen die Sprüche sich nach Ratschlägen anhören, aber faktisch steht Gott für ihre Qualität ein. Es macht ethisch keinen großen Unterschied, ob ein Mensch sich gegen ein klares Gebot auflehnt oder gegen ein geistliches Prinzip, das in Form eines Spruches daherkommt. Immer richtet sich seine Rebellion ja nicht gegen Druckerschwärze oder menschliche Ideen, sondern gegen Gott selbst, den „Gesetzgeber und Richter“ (Jakobus 5,12). EXKURS: DAS HERZ Mit „Herz“ begegnen wir dem wichtigsten anthropologischen Begriff des Alten Testaments. Er umschließt einen körperlichen, einen seelischen und einen geistlichen Aspekt. Der Einfluss des Herzens auf den Körper sehen wir gut in der Geschichte aus 1Samuel 25. Als Nabal von seiner Frau das ganze Ausmaß des möglichen Unglücks erfährt, das Abigajil gerade noch abgewendet hat, da „erstarb sein Herz“ und „er wurde wie eine Stein“ (1Samuel 25,37). Das Ersterben des Herzens führte zu einer Lähmung, nicht zum Tod (1Samuel 25,38). Das „Herz“ kontrolliert also in der Bibel die Körperfunktionen. Deshalb macht ein „fröhliches Herz“ das „Gesicht heiter“ (Sprüche 15,13) oder steuert ein nachdenkliches Herz die Zunge (Sprüche 15,28). Im seelischen Aspekt des „Herzens“ fließen Intellekt, Sensibilität und Willen zusammen. Mit dem Herzen kann „Kummer“ (Sprüche 12,25; 14,10), „Gelassenheit“ (Sprüche 14,30) und Freude (Sprüche 15,15) empfunden werden, aber gleichzeitig ist es der Sitz des Denkens und Reflektierens. Weisheit kann ins Herz einziehen (Sprüche 2,10) und Unverstand ist wörtlich ein „Mangel an Herz“ (Sprüche 10,21). Im Herzen werden - da die Funktion des Gehirns den Menschen des Altertums unbekannt war - Entscheidungen gefällt und Handlungen vorbereitet. Das Herz kann „Böses schmieden“ (Sprüche 6,18) und den Lebensweg planen (Sprüche 16,9). Auf der geistlich-moralischen Seite ist es auch das Herz, das Gott vertrauen (Sprüche 3,5) und sich nicht von der Schönheit einer Ehebrecherin gefangen nehmen lassen soll (Sprüche 6,25). Wenn es seinen Eifer in die richtigen Bahnen lenkt und Erkenntnis (Sprüche 15,14) statt Vergeltung (Sprüche 23,17) sucht, wird es weise (Sprüche 14,33) und verliert seine Boshaftigkeit (Sprüche 26,23). Die Einstellung meines Herzens ist alles entscheidend. Ein böses Herz motiviert zu bösen Taten und ein reines Herz zur Liebe. Wer sein Herz „verhärtet“ (Sprüche 28,14) und für Gottes Gebote unsensibel macht, rennt in sein Verderben. Weil das „Herz“ das Zentrum des emotionalen, intellektuellen, religiösen und moralischen Handelns eines Menschen ist, muss es als kostbarstes Gut mehr behütet werden als irgendetwas sonst (Sprüche 4,23).

Kannst du mit eigenen Worten beschreiben, was es bedeutet, sein „Herz zu behüten“ und hast du eine Idee davon, wie das praktisch aussehen könnte?


Schon im Alten Testament fordert Gott die Gläubigen auf: „Werft von euch alle eure Vergehen… und schafft euch ein neues Herz…!“ (Hesekiel 18,31). Für den Neuen Bund verheißt Gott den Gläubigen ein „neues Herz“ (Hesekiel 36,26)6), d.h. Gott schenkt denen, die Buße tun, eine neue, innere Ausrichtung und den Wunsch, das Richtige zu tun. Solche Christen wollen Gott gefallen, seine Gebote verstehen und ihm dienen, aber nicht, weil sie „eigen“ sind, sondern weil Gott dieses Ansinnen in ihr Herz gelegt hat.

Hast du ein neues, gereinigtes Herz? Bist du auf Gott ausgerichtet und hast du den tiefen Wunsch, ihm zu dienen und ihm zu gefallen?



1)
Das „Herz“ steht im Alten Testament für das Denken des Menschen, also nicht wie heute, bildhaft für seine Gefühle. Siehe auch den Exkurs am Ende dieses Abschnitts.
2)
Und zwar weil er das Gehörte für wertvoll und wichtig erachtet. Hier geht es Salomo nicht um stumpfsinniges Auswendiglernen von Bibelversen!
3)
Bzw. den er sich selbst mühsam erarbeitet hat. Dieser Kommentar ist gerade auch für solche Menschen geschrieben.
4)
Falls dir Ideen und Themen fehlen, schau dir doch unser Buch „Mit Werten erziehen und prägen“ an. Dort findest du viele Tipps. Das Buch kann man im Buchhandel kaufen oder kostenlos downloaden: http://frogwords.de/texte/praxishandbuch
5)
Erziehung ist also mehr als die Weitergabe von ein paar Lebensprinzipien, die man irgendwo aufgeschnappt hat. Es geht darum, das eigene - hoffentlich gute - Leben mit Gott in seiner Gänze als den „Weg des Lebens“ (vgl. Sprüche 2,19) zu erklären und weiterzureichen.
6)
Apostelgeschichte 15,9: ein gereinigtes Herz.