Sprüche 1,4

Sprüche 1,4
um Einfältigen Klugheit zu geben,
dem Jüngling Erkenntnis und Besonnenheit.

Nun zu den Zielgruppen der Sprüche: Da ist zum einen der Jüngling1), der hier mit dem Unerfahrenen oder dem Einfältigen verglichen wird2). Jeder Mensch ist auf Wachstum hin angelegt. Nur durch Klugheit […] Erkenntnis und Besonnenheit nimmt er die Schwelle zum Erwachsenenalter. Ohne diese Fähigkeiten steht er dem Leben wie ein dummer Junge gegenüber, der die Zusammenhänge zwischen seinem Tun und den daraus folgenden Konsequenzen nicht kennt (vgl. 1Korinther 13,11).
In den Sprüchen ist der Einfältige die harmloseste Variante des Narren. Für den Einfältigen besteht Hoffnung auf Weisheit (Sprüche 1,22). Er ist noch formbar und kann durch eine gute Erziehung Klugheit lernen (Sprüche 8,5) und weise werden (Sprüche 21,11). Der Einfältige ist der Jugendliche3), dem es an Verstand mangelt (Sprüche 7,7), der leichtgläubig ist (Sprüche 14,15), Unglück nicht erkennt (Sprüche 22,3) und sich schnell (zum Bösen) verführen lässt (Sprüche 7,21.22). Seine Offenheit für fremde Einflüsse ist seine Chance, wenn er sich auf den Weg der Weisheit einlässt (Sprüche 9,1-6), oder sein Tod, wenn gottlose Vorbilder ihn zum Bösen verführen (Sprüche 1,10-19).

Kannst du dich an ein paar Situationen in deinem Leben erinnern, in denen du „einfältig“ gehandelt und falsche Entscheidungen getroffen hast? Welche davon würdest du gerne rückgängig machen? —-

Weisheit, Einsicht und Unterscheidungsvermögen sind kein Luxus, den sich ein paar auserwählte Superheilige gönnen; es sind Grundvoraussetzungen für ein reifes Leben, das gelingt.
Niemand muss als Kind schon alles verstehen und durchschauen. Moralische Reife und Lebensweisheit braucht Zeit. Auf der Wüstenwanderung wurden nur die Israeliten für ihren Unglauben bestraft, die 20 Jahre und älter waren (4Mose 14,29). Anscheinend erwartete Gott von Teenagern und Kindern nicht, dass sie die Falschheit ihres Tuns schon beurteilen konnten. Aber Klugheit […] Erkenntnis und Besonnenheit kommen auch nicht einfach so dahergeflogen. Sie wollen gesucht (vgl. Sprüche 15,14), gefunden und erlernt (Sprüche 18,15) werden.
Das ist die gute Nachricht der Sprüche: Weisheit kann man erlernen! Fleiß und Interesse genügen, um klug zu werden. Niemand muss unreif, naiv und dumm bleiben; jeder kann geistlich erwachsen werden, wenn er es nur will.


1)
Dasselbe gilt für die junge Frau. S. dazu den Exkurs: Mann und Frau und insbesondere die Anmerkungen zur Kasuistik.
2)
Die zugrunde liegende Stilfigur ist der Parallelismus: Zwei Satzteile reden vom selben Sachverhalt und ergänzen einander. Wenn, wie hier, „Einfältige“ und „Jünglinge“ in einem Satz genannt werden, dann weil Salomo beide auf eine Stufe stellt und eine inhaltliche Verbindung herstellen will. Mehr zum Parallelismus im Exkurs: Parallelismus in Band 2.
3)
Natürlich gibt es auch ältere Einfältige. Ein hohes Lebensalter ist keine Garantie für Weisheit, aber Die Sprüche haben als Erziehungsbuch Kinder und Teenager mehr im Blick als unreife Erwachsene.