1,4a Ziehe mich: lass uns dir nachlaufen.

Der Imperativ ziehe mich und der Kohortativ lass uns dir nachlaufen unterstreichen, dass Sulamith es kaum noch aushält, auf Salomo zu verzichten. Sie will mit ihm allein sein. Und sie sagt es ihm!
Die ungewöhnliche Formulierung lass uns dir nachlaufen rührt daher, dass die Frau in Liebesgedichten aus Mesopotamien von sich selbst in der ersten Person Plural sprechen kann 1) . Außerdem gibt es in Liebesgedichten des Nahen Ostens den „ekstatischen Plural“. Die liebestrunkene Person spricht von sich selbst in der Mehrzahl. Sie sagt also lass uns, meint aber „lass mich“.

1,4b Der König hat mich in seine Gemächer geführt: wir wollen jauchzen und deiner uns freuen, wollen deine Liebe preisen mehr als Wein!

Mit Begriffen, die sonst für die Freude an Gottes Rettung verwendet werden (Jesaja 25,9: „jauchzen und uns freuen“), beschreibt Sulamith ihre Begeisterung für Salomo. Sie genießt ihn nicht nur ein bisschen, sondern ganz und gar. Wenn sie sagt: wir wollen frohlocken und uns deiner freuen, müssen wir lesen: ich will frohlocken und mich deiner freuen (ekstatischer Plural). 2)

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An Ehefrauen: Wie hat sich deine Begeisterung für die Liebe deines Mannes in den letzten Jahren entwickelt? Wie deutlich gibst du ihm zu verstehen, dass du mit ihm allein sein willst und diese Zweisamkeit wirklich sehr genießt?


Männer brauchen das Lob ihrer Frauen!3) Vielleicht werden Frauen nie begreifen, wie sehr Männer nach Anerkennung, Respekt und Wertschätzung (Epheser 5,33) hungern. Eine Frau, die Sulamiths Verhalten hier imitiert, verliert nie das Herz ihres Mannes. Eine Frau, die sich an der Liebe ihres Mannes freut und zum Ausdruck bringt, wie begehrenswert und wunderbar sie ihn als Mann findet, ist der Traum eines jeden Mannes4). Dieses Prinzip lässt sich über den Ehemann hinaus auf alle Männer ausdehnen. Lobe einen Mann und du tust ihm Gutes. Zeige ihm Respekt und Anerkennung und du wirst ihn zum Freund gewinnen5).

1,4c Sie lieben dich in Aufrichtigkeit.

Mit sie meint Sulamith die Mädchen aus Vers 3. Wenn diese Teenies ihren Mann lieben, dann tun sie das Richtige6). Sulamith kann das ohne Angst sagen, weil sie alle Nebenbuhlerinnen mit Leichtigkeit aussticht. Einer hingegebenen Ehefrau, die ihren Mann kennt, begehrt und lobt, kann keine Frau das Wasser reichen. Erst wenn ein Mann merkt, dass er nach den Kindern nur noch Nummer zwei ist, wenn die sexuelle Seite der ehelichen Beziehung in Routine erstarrt oder wenn seine Sekretärin ihm mehr Bewunderung entgegenbringt als seine Ehefrau, dann fängt er an, sich umzuschauen7) .

1)
Beispiele dafür liefert Samuel N. Kramer in seinem Buch The Sacred Marriage Rite: Aspects of Faith, Myth and Ritual in Ancient Sumer, Indiana University Press, 1969.
2)
Salomo ist kein Narziss, der in sein eigenes Spiegelbild verliebt ist.
3)
Literaturtipp: Shaunti Feldhahn, Männer sind Frauensache: Was Frauen über Männer wissen sollten, GerthMedien, 2006. Emerson Eggerichs, Liebe & Respekt, GerthMedien, 2011.
4)
Eine Frau wie Michal, die ihren Mann vor anderen entehrt (2Samuel 6,20), ist hingegen der Schrecken jedes Ehemanns.
5)
Nur sei vorsichtig: Männer verlieben sich ganz schnell in Frauen, die so mit ihnen umgehen!
6)
Es ist nicht verwerflich, wenn Teenie-Mädchen für Stars schwärmen. Es gehört anscheinend zu ihrem Wesen. Als Vater von zwei Töchtern kann ich nur den Tipp geben: Lass sie schwärmen (und Jane-Austen-Romane lesen), aber nutze diese Zeit, um mit ihnen über den Salomo-Charakter eines Ehemanns zu reden.
7)
Achtung: Natürlich gibt es Ausnahmen! Ich will Prinzipien darstellen. Da und dort gibt es den völlig egoistischen Ehemann, der auch dann fremdgeht, wenn er zu Hause den Himmel auf Erden vorfindet. Trotzdem gilt als generelle Tendenz: Der glückliche Ehemann geht nicht fremd! Männer sind nämlich nicht völlig blöd =).