3,4a Kaum war ich an ihnen vorüber, da fand ich, den meine Seele liebt. Ich ergriff ihn und ließ ihn nicht los,

Immer noch sucht Sulamith nach Salomo. Und dann steht er plötzlich vor ihr1) und sie ergreift ihn. Wir haben es hier mit demselben Wort zu tun, das in Hohelied 2,15 mit „fangt“ („fangt uns die kleinen Füchse“) übersetzt wurde.
Es ist interessant zu sehen, wie der Text den Umgang mit Problemen und den Umgang der beiden Verliebten miteinander vergleicht. Anscheinend ist es wichtig, dass wir mit der gleichen zupackenden Art an unsere Beziehungs¬probleme herangehen, mit der wir uns auch einander widmen. Es ist falsch, als Paar Probleme unter den Tisch zu kehren, und genauso fatal ist es, in der Beziehung ein gleichmütiges Nebeneinander anzustreben, bei dem wir nicht mehr wirklich von der Person des anderen ergriffen sind2).

Wann und warum warst du zuletzt von deinem Ehepartner begeistert? Was hat dich an ihm am meisten angesprochen und „gepackt“?


3,4b bis ich ihn gebracht hatte in das Haus meiner Mutter und in das Gemach meiner Gebärerin.

Der Begriff Haus meiner Mutter kommt in der Bibel nur in Verbindung mit (Schwieger-)Töchtern vor. Rebekka berichtet dem „Haus ihrer Mutter“, dass der Knecht von Abraham gekommen ist (1Mose 24,283)), Isaak führt seine Zukünftige in das „Zelt seiner Mutter“ (1Mose 24,67) und Noomi bietet ihren Schwiegertöchtern nach dem Tod der Ehemänner an, ins „Haus ihrer Mutter“ zurückzukehren (Ruth 1,8). Mit Haus meiner Mutter wird ein Ort der Sicherheit und Geborgenheit beschrieben.
Es ist gleichzeitig ein Platz, wo sich Salomo und Sulamith sehen können, ohne fürchten zu müssen, dass die Gesellschaft Anstoß nimmt (vgl. Hohelied 8,2). Eine junge Liebe soll sich in „Heiligkeit und Ehrbarkeit“4) (1Thessalonicher 4,4) entwickeln, nicht lustorientiert (1Thessalonicher 4,5), sondern geistgeleitet (1Thessalonicher 4,8). In der Verlobungszeit kann man erleben, wie ernst der Freund/die Freundin es mit der Heiligung meint.

1)
Er kann auch nicht schlafen!
2)
Vier Mal wird im Hohelied „zugegriffen“. Neben den beiden im Text erwähnten Stellen noch in Hohelied 3,8 (die Helden führen das Schwert) und Hohelied 7,8 (Salomo greift nach ihren Brüsten). In beiden Fällen handelt es sich um ein sehr bewusstes Zugreifen.
3)
In 1Mose 24,23 fragt der Knecht jedoch nach dem „Haus deines Vaters“.
4)
Die beiden Begriffe ergänzen einander aufs Schönste. „Heiligkeit“ beschreibt Gottes Perspektive, „Ehrbarkeit“ die Sicht der Gesellschaft. Wer seine Verlobungszeit in „Heiligkeit und Ehrbarkeit“ gestaltet, will Gott gefallen und ein Vorbild für die Gesellschaft sein.