6,3.4 tue denn dieses, mein Sohn, und reiße dich los, da du in deines Nächsten Hand gekommen bist: geh hin, wirf dich nieder1) und bestürme deine2) Nächsten;
gestatte deinen Augen keinen Schlaf, und keinen Schlummer deinen Wimpern;


Mit dem radikalen reiße dich los stehen wir vor der zentralen Aussage zum Thema „Bürge sein“ (vgl. Sprüche 6,5). Wer seine Zukunft an Versprechen bindet, die er selbst nicht kontrollieren kann, ist in die Hand des Nächsten gekommen. Für ihn gibt es nur eine Hoffnung: Flucht.
Dahinter steht das allgemeine Prinzip: Mache dein Leben so wenig wie möglich abhängig vom wirtschaftlichen Geschick eines Fremden. Reduziere diese Risiken auf ein Minimum! Paulus greift dieses Prinzip in 1Korinther 7,23 auf, wenn er befiehlt: „Werdet nicht Sklaven von Menschen!“ Für Römer war es eine Versuchung die persönliche Freiheit dem Aufstieg in der Gesellschaft zu opfern, aber der Apostel ist dagegen.


Gibt es heute Situationen (z.B. Arbeitsverhältnisse etc.), die ähnlich brisant sind, wie die, in der ein Bürge sich befindet?


Wenn der Vater sagt geh hin, wirf dich nieder und bestürme deine Nächsten dann fordert er vom Sohn, sich soweit zu demütigen und dem Schuldner (sowie den Kreditgebern und vielleicht weiteren Personen) durch beständiges Bitten so wenig Ruhe zu lassen, bis dieser ihn freigibt. Dieser Prozess verdient keinerlei Aufschub, Schlaf und Schlummer müssen warten; es geht um Leben und Tod3). Faulheit wäre jetzt fehl am Platz (vgl. Sprüche 6,10 zu „Schlaf und Schlummer“).

1)
O. demütige dich
2)
LXX, syrische und lateinische Übersetzung: Singular „deinen Nächsten“
3)
Das Auswirkungen einer Überschuldung sind heute weniger schlimm als damals. Wer zur Zeit Salomos seine Schulden nicht bezahlen konnte, musste sich selbst zu Geld machen und in die Sklaverei verkaufen (3Mose 25,39.40). Heute ist im schlimmsten Fall mit einer Privatinsolvenz zu rechnen.