Sprüche 6,1

Sprüche 6,1
Mein Sohn, wenn du Bürge geworden bist für deinen Nächsten, für einen anderen deine Hand eingeschlagen hast;

Wer ein Bürge wird, der verspricht, die Schulden eines anderen zu begleichen, falls dieser nicht zahlen kann1). Das bekannteste Beispiel eines Bürgen dürfte der Freund des Damon sein, der in dem Gedicht „Die Bürgschaft“ bereit ist, mit seinem Leben für die Rückkehr seines Freundes Damon zu bürgen2). Juda verbürgt sich für die Rückkehr Benjamins (1Mose 43,9) und Jesaja betet darum, dass Gott ihm zum Bürgen wird, um ihn aus der Bedrängnis zu retten (Jesaja 38,14b; vgl. Psalm 119,122). In den Sprüchen warnt Salomo eindringlich davor, Bürge für einen anderen zu werden (außer in Kapitel 6 noch: Sprüche 11,15; 17,18; 20,16; 22,26). Vor allem eine Bürgschaft für einen Ausländer3) stellt eine große Gefahr dar. Dem gegenüber formuliert Jesus Sirach 29,18-27 bewusst beide Seiten unterstreichend: „(18) Ein rechtschaffener Mann wird Bürge für seinen Nächsten; (19) aber ein Schamloser lässt ihn (= den rechtschaffenen Mann!) im Stich. (20) Vergiss nicht, was dein Bürge für dich getan hat; (21) denn er hat sich mit seinem Leben für dich eingesetzt. (22) Der Gottlose bringt seinen Bürgen um Hab und Gut, (23) und der Undankbare lässt seinen Retter im Stich. (24) Bürge werden hat viele reiche Leute zugrunde gerichtet […] (27) Hilf deinem Nächsten aus, so viel du kannst; doch sieh dich vor, dass du nicht selbst darüber zu Schaden kommst.“4) Auch Hilfe5) will demnach durchdacht sein und kann - obwohl gut gemeint - zum eigenen Ruin führen! Diese Verse warnen vor impulsivem Gutestun, dem es an Unterscheidungsvermögen mangelt6). Und deshalb fordert der Vater seinen Sohn zur Vorsicht auf. Vielleicht sind es gerade die Unerfahrenen, die sich eine Bürgschaft aufschwatzen lassen. Das Einschlagen der Hand für einen anderen ist die Geste, mit der ein mündlicher Vertrag (meist vor Zeugen) besiegelt wurde.


1)
Die „Bürgschaft“ ist ein einseitig verpflichtender Vertrag, durch den sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten (des so genannten Hauptschuldners) verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Dritten einzustehen (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bürgschaft). Der Gläubiger will sich durch die Bürgschaft für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit seines Schuldners absichern. Meistens handelt es sich bei dem Dritten um einen Kreditnehmer und bei dem Gläubiger um ein Kreditinstitut, welches das Darlehen gewährt.
2)
Wer das Gedicht noch nicht kennt, sollte seinen Mangel am besten jetzt ausgleichen: Schiller, Friedrich: Die Bürgschaft. In: http://www.literaturwelt.com /werke/schiller/buergschaft.html
3)
Gemeint ist der Nicht-Israelit mit einer anderen Ethik und einer anderen Loyalität gegenüber dem Gott Abrahams.
4)
Alle Jesus-Sirach-Zitate sind aus: Luther, Martin (1985): Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers; mit Apokryphen. Stuttgart: Dt. Bibelges.
5)
Alternativ kann es sein, dass einer zum Bürgen wird, weil er sich dadurch ein gutes Geschäft verspricht. Jesus Sirach spricht von dem Gottlosen, „der sich zur Bürgschaft drängt und Gewinn davon haben will“ (Jesus Sirach 29,26). Heute würde man von „Spekulanten“ sprechen, deren Gewinn vom „rechten“ Verhalten eines Dritten abhängig ist.
6)
Die Bibel verlangt von denen, die haben, dass sie denen abgeben, die in Not sind (Sprüche 3,27.28; 5Mose 15,7-11). Sie verbietet darüber hinaus, dass der Reiche den Armen in seiner Not ausnutzt, indem er ihm gegen Zins oder Aufschlag leiht (2Mose 22,24; 3Mose 25,35-37; Hesekiel 18,8). In bestimmten Grenzen war es dem Leihenden erlaubt, sich ein Pfand als Sicherheit für sein Darlehen zu nehmen (5Mose 24,10.11), aber einem Armen sollte sein Pfand - meist sein Mantel - am Abend zurückgegeben werden (2Mose 22,25; 5Mose 24,12.13.17; Hesekiel 18,7).