3,21.22 Mein Sohn, lass sie1) nicht von deinen Augen weichen, bewahre klugen Rat und Besonnenheit;
so werden sie Leben sein für deine Seele und ein Geschmeide2)) <an> deinem Hals3).


Es hört sich so an, als würde dem Sohn eine schriftliche Merkhilfe zur Verfügung stehen (z.B. eine Schriftrolle). Und der Vater will, dass er sich immer wieder damit beschäftigt, um klugen Rat und Besonnenheit zu bewahren. Ganz natürlich geht der Vater von der Möglichkeit aus, dass der Sohn die Dinge, die er einmal gelernt hat, wieder vergisst. Wenn dem so ist, dann kann man Weisheit nur begrenzt „verinnerlichen“ und ist auf eine ständige Wiederholung angewiesen. Das mag einer der Gründe sein, warum die Bibel selbst das Bibellesen (vgl. Josua 1,8), das Meditieren über biblische Zusammenhänge (Psalm 1,2) und das Gespräch über das Wort Gottes (Kolosser 3,16) so betont. Und so kann Petrus schreiben: „Deshalb will ich Sorge tragen, euch immer an diese Dinge zu erinnern, gleichwohl ihr sie wisst und in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt seid.“ (2Petrus 1,12). Wiederholung ist ein ganz wichtiges Lernprinzip, damit das Dringliche und das Aktuelle, sich nicht vor das eigentlich Wichtige schieben4). Wie schlimm ist es, wenn Menschen in ihrer Jugend geistlich brannten und ein Interesse für die Bibel entwickelt hatten, aber sich in ihrer Blütezeit kaum mehr an das erinnern, was sie in der Jugendstunde oder durch gute Prediger gelernt haben! Wer echtes Leben, d.h. Lebensqualität, sucht und mit seinem Leben „gut dastehen“ will (dafür steht das Geschmeide; vgl. Sprüche 3,3), wird sich nicht nur überlegen müssen, wie er ein umfassendes Bibelwissen entwickelt, sondern auch wie er es schafft, das schon Gelernte immer vor Augen zu haben. Persönlich denke ich, dass die Bewahrung von Weisheit fast ebenso zeitaufwändig ist wie der Neuerwerb - wenn nicht aufwändiger! Neues ist erst dann wirklich wertvoll, wenn Altes nicht verloren geht.

Kannst du dich an die Kernaussagen der letzten drei Predigten bzw. Vorträge erinnern, die du gehört hast? Wenn ja, wie hast du das angestellt? Wenn nein, lag es am Prediger oder an dir?


1)
Gemeint sind „Weisheit“ und „Einsicht“ aus Sprüche 3,19.
2)
W. Anmut (im ästhetischen Sinn
3)
S. a. Sprüche 1,9
4)
Aus diesem Grund genieße ich das Wiederholen von Bibelversen, die ich auswendig gelernt habe. Sie zeigen mir in Zeitraffer, worauf es wirklich ankommt, und was mir selbst einmal zu wissen wichtig geworden ist. Jeder Wiederholdurchgang dient nicht nur dazu, die alten Verse nicht zu vergessen, sondern ist in sich ein Erinnern an vergangene Aha-Momente, Entscheidungen, gute Predigten und geistliche Durchbrüche. Jeder einzelne Bibelvers wird so zu einer erneuten Anfrage an mein Leben, und ich muss mich jedes Mal entscheiden, ob die alten Standpunkte noch gelten.