3,14.15 Denn ihr Erwerb1) ist besser als der Erwerb von Silber, und ihr Gewinn besser als feines Gold;
kostbarer ist sie als Korallen2), und alles, was du begehren magst, kommt ihr an Wert nicht gleich.


Egal, was ein Mensch sich wünschen könnte, nichts kommt an Qualität dem Wert von Weisheit gleich. Silber und Gold, d.h. materieller Reichtum, gehören in den Sprüchen wie selbstverständlich zu den Segnungen eines „guten Lebens“. Hiob macht darauf aufmerksam, dass handwerkliches Knowhow für das Aufspüren von Silber und Gold ausreicht, aber Weisheit auf diese Weise nicht gefunden werden kann (Hiob 28,1.12). Sie entstammt einer anderen Wirklichkeit (Hiob 28,13). Man kann sie nicht kaufen, denn „ein Beutel voller Weisheit ist mehr wert als ein Beutel voller Perlen“ (Hiob 28,18), sie ist wertvoller als Gold und Edelsteine (Hiob 28,17-19). Nur Gott weiß, wie ein Mensch Weisheit erlangen kann (Hiob 28,23), und seine Worte sind Weisheit (Sprüche 30,5.6).
Im Talmud heißt es: „Wenn es dir an Weisheit fehlt, was hast du dann erreicht? Und wenn du Weisheit erlangt hast, was fehlt dir dann?3)
Warum ist Weisheit wertvoller als Wertpapiere, Immobilien oder ein guter Schulabschluss? Weisheit kann aus einem schönen Haus ein schönes Zuhause machen, aus einem guten Essen gute Gemeinschaft und aus einer simplen Lebensentscheidung den Schritt in eine glorreiche Zukunft unter Gottes Segen. Wer Lebensqualität sucht sowie Liebe, Freundschaft, kluge Entscheidungen, Ausgeglichenheit, richtige Prioritäten, eine leidenschaftliche Ehe oder wer seinen Kindern einen guten Start ins Leben mitgeben will, der braucht nicht zuerst viel Geld, sondern viel Weisheit.

Für welchen Bereich deines Lebens würdest du aktuell gern Weisheit haben? Was wäre dir diese Weisheit in Euro wert, wenn du sie kaufen könntest?


1)
O. der Erwerb, den sie gibt. Hier (wie auch in „ihr Gewinn“) liegt eine - vielleicht bewusste - Doppeldeutigkeit vor, weil nicht ganz sicher ist, wie man den Genitiv auflösen soll (Objektgenitiv oder Genitiv des Urhebers). Weisheit ist gleichzeitig selbst überaus wertvoll und erwirbt dem, der sie hat, großen „Reichtum“ (nicht unbedingt nur materiell).
2)
Wir wissen nicht genau, ob es sich hier tatsächlich um „Korallen“ handelt, aber Klagelieder 4,7 spricht von „rosiger“ Farbe, weshalb neben roten Korallen als Übersetzung nur noch Rubine in Frage kämen. Allerdings werden Rubine das erste Mal in der griechischen Literatur von Theophrastus einem Zeitgenossen von Aristoteles erwähnt, sodass wir davon ausgehen können, dass sie vor dem 4. Jahrhundert v.Chr. im Mittelmeerraum unbekannt waren. „Korallen“ sind kein Edelstein, sondern das Skelett von Meereslebewesen, den Polypen, die hauptsächlich im Mittelmeer gefunden werden. http://en.wikipedia.org/wiki/Precious_coral: “At the beginning of the Christian era, there was a great trade carried on in coral between the Mediterranean and India, where it was highly esteemed as a substance endowed with mysterious sacred properties. It is remarked by Pliny that, previous to the existence of the Indian demand, the Gauls were in the habit of using it for the ornamentation of their weapons of war and helmets; but in his day, so great was the Eastern demand, that it was very rarely seen even in the regions which produced it. Among the Romans branches of coral were hung around children's necks to preserve them from danger, and the substance had many medicinal virtues attributed to it. A belief in its potency as a charm continued to be entertained throughout medieval times; and even early in the 20th century in Italy was worn as a preservative from the evil eye, and by females as a cure for sterility.”
3)
Originaltext: „Lackest thou wisdom, what hast thou acquired? Hast thou acquired wisdom, what lackest thou?” Cohen, Aelred (1967): Proverbs. London: Soncino, S. 17, zitiert in: Waltke, 2004, S. 258.