EXKURS: Wein und Genussmittel

Die Sprüche sind in punkto Alkoholgenuss sowohl positiv als auch negativ eingestellt.
Sprüche 20,1 macht sehr deutlich auf die negativen Auswirkungen exzessiven Alkoholkonsums aufmerksam: Spott, Lärmen und dümmliches Verhalten jeder Art. In dieselbe Kerbe schlagen auch Sprüche 21,17 und 23,19-21: Säufer und Schlemmer verarmen! Alkoholmissbrauch führt zu „Ach“ und „Weh“, zu Streit, Verletzungen, einem Kater, dummen Sprüchen, Sinnestäuschungen und Abhängigkeit (Sprüche 23,29-35). Alkohol trübt das Beurteilungsvermögen und ein Leiter (z.B. Richter, Priester oder Ältester) darf in Ausübung seiner Pflicht nicht betrunken sein (3Mose 10,8.9; Sprüche 31,4.5; 1Timotheus 3,3.8).
Auf der anderen Seite ist Wein ein Bild für ein gutes Leben (Sprüche 3,10), wird von der Weisheit selbst gemischt (Sprüche 9,5) und hilft über schwere Stunden hinweg (Sprüche 31,6.7).
Diese zwei Seiten von Wein durchziehen die ganze Bibel. Er ist ein Zeichen für den Segen Gottes (1Mose 27,28), kann aber auch zum Inbegriff der Selbstverliebtheit und Gottvergessenheit werden (Jesaja 28,1-6). Wein macht „wanken“ (Jesaja 28,7), aber erfreut auch das Herz (5Mose 14,26; Richter 9,13, Psalm 104,15; Prediger 10,19). Man kann ihn benutzen und missbrauchen. Betrunkenheit ist Sünde (Epheser 5,18) und doch erschafft Jesus als erstes Zeichen 600 Liter Wein aus Wasser bei der Hochzeit zu Kana (Johannes 2,2-11). Johannes der Täufer trank keinen Tropfen Alkohol (Lukas 1,15)1), aber Jesus wurde von seinen Feinden als „Weinsäufer“ tituliert (Lukas 7,34).
Wein ist ein gutes Beispiel für den generellen Umgang mit Genussmitteln. Jede Form von Abhängigkeit, Ausschweifung2) oder übertriebenem Genuss ist abzulehnen. Gleichzeitig ist die Gefahr des unweisen oder ungerechten Gebrauchs nicht durch Abstinenz zu bannen, wie das Vorbild Jesu und die positiven Stellen zum Wein belegen. Es gilt, die Freude, die Gott durch Genussmittel zur Verfügung stellt, zu genießen und gleichzeitig darauf zu achten, dass wir aus der Freude und nicht für die Freude leben. Wo das Genussmittel zum Gott wird (vgl. Philipper 3,19) und anfängt, uns zu beherrschen, müssen wir Buße tun und den rechten Gebrauch einüben3). Der Ausschweifung auf der einen Seite steht auf der anderen Seite die Gesetzlichkeit gegenüber. So falsch es ist, sich zu betrinken, so falsch ist es auch, eigene, über das biblische Gebot hinausgehende Gebote zum Umgang mit Alkohol (oder anderen Genussmitteln) aufzustellen (Kolosser 2,16.20-23). Es handelt sich dabei um „Menschengebote“, die Gott nicht ehren (Matthäus 15,9). Wer selbsterdachte4) Gebote aufstellt und sich womöglich für besonders „heilig“ hält, weil er sie rigide befolgt, folgt einer unheiligen Tendenz seines Herzens zum Hochmut5). Die Bibel warnt vor diesem „eigenwilligen Gottesdienst“ (Kolosser 2,23), weil er uns die Chance nimmt, in dieser Welt zu evangelisieren (vgl. 1Korinther 9,20-22), weil wir den Blick auf das Wesentliche verlieren (Matthäus 23,23.24), weil wir uns nicht an Gottes guten Gaben freuen (vgl. Psalm 104,15) und weil er unser geistliches Wachstum hemmt (Kolosser 2,19). In der Gemeinde gilt es Tendenzen zur Gesetzlichkeit als „unnütz und wertlos“ zu abzuweisen (Titus 3,9.10; 2Timotheus 2,23).


Wie steht es um deinen Umgang mit Alkohol und anderen Genussmitteln wie Tabak, Kaffee, Spielen oder Shoppen6)? Beherrschen sie dich oder benutzt du sie als Ausdruck deiner Freude an Gott selbst?7)


1)
Die Nasiräer des Alten Testaments (4Mose 6,1-3) machten es genauso.
2)
Darunter verstehe ich ein unheiliges Verhalten, welches davon geprägt ist, dass ich mich selbst nicht mehr im Griff habe, triebhaft reagiere und sündige Verhaltensweisen an den Tag lege (z.B. schlüpfrige Witze erzählen, unsittliche Berührungen, Hemmungslosigkeit in punkto Sexualität, Schlägereien anzetteln usw.).
3)
Natürlich ist da Abstinenz zu halten, wo es schon zu einer echten Abhängigkeit gekommen ist. Ein ehemaliger Alkoholiker soll gar keinen Alkohol trinken, um nicht erneut in die Abhängigkeit zurück zu fallen. Außerdem gilt es die stattlichen Gesetze zu achten (z.B. Drogenkonsum betreffend) und darauf zu achten, dass wir unseren Körper nicht vorsätzlich und nachhaltig schädigen.
4)
Ich weiß schon, dass man für die Formulierung der eigenen Gebote Bibelstellen bemüht, aber ein nur oberflächliches Bibelstudium offenbart zumeist, dass dabei sehr selektiv vorgegangen wird und die entsprechenden Bibelstellen nicht das aussagen, was man in sie hineinliest.
5)
Jeder Pharisäer hält sich selbst natürlich für besonders demütig, aber er ist „ohne Ursache aufgeblasen“ (Kolosser 2,18), sein Lebensstil reflektiert nur einen „Schein von Weisheit“ (Kolosser 2,23) und er lebt zur Befriedigung seines eigenen „Fleisches“ (Kolosser 2,23).
6)
Vielleicht überrascht es dich, dass ich Spielen und Shoppen hier mit aufzähle, aber ich glaube, dass in beiden Aktivitäten - vielleicht auch beim Sport - ein Suchtfaktor enthalten ist, den man nicht unterschätzen soll.
7)
Lesetipp: Thomas, Gary (2010): Alles. Für dich. Gottes Geschenke genießen. Witten: SCM R. Brockhaus.