Struktur und Themen

Das Buch Maleachi besteht aus sieben Blöcken, die bis auf den ersten mit der Formulierung „spricht der HERR der Heerscharen“ enden (Maleachi 1,2-5; 1,6-14; 2,1-9; 2,10-16; 2,17-3,6; 3,7-12; 3,13-21). Diesem Siebenerblock geht eine Überschrift voraus und ihm folgt ein kurzer Anhang nach (Maleachi 3,22-24).
Das ganze Buch ist chiastisch aufgebaut, d.h. der erste und der letzte, der zweite und der vorletzte, der dritte und der vorvorletzte Block besitzen auffällige Ähnlichkeiten und stellen den mittleren Block (Maleachi 2,10-16) mit seinem Thema ins Zentrum des Buches.

CHIASMUS IM BUCH MALEACHI


Überschrift: Maleachi 1,1

a Block 1:Maleachi 1,2-5
- b Block 2:Maleachi 1,6-141)
-- cBlock 3:Maleachi 2,1-9
--- dBlock 4:Maleachi 2,10-16
-- c‘Block 5:Maleachi 2,17-3,5
- b‘Block 6:Maleachi 3,6-12
a‘Block 7:Maleachi 3,13-21

Anhang: Maleachi 3,22-24


Aus der Struktur lassen sich drei Randthemen ableiten, die für Maleachi von besonderer Bedeutung sind, bevor er zum zentralen Kerngedanken vordringt.
Der erste und der letzte Block (a, a‘) drehen sich um das falsche Gottesbild der Israeliten. Während das Volk anmaßend behauptet, dass es nichts bringt, Gott zu dienen (Maleachi 3,13.14) und nicht erkennen kann, dass Gott sein Volk „liebt“ (Maleachi 1,2),widerspricht Gott, indem er auf das gegenwärtige und zukünftige Gericht an Edom (Maleachi 1,3.4) hinweist und einen „Tag […], der wie ein Ofen brennt“, ankündigt, an dem die Frechen und Gottlosen (Maleachi 3,19) restlos beseitigtwerden.Die Geschichte Israels ist, gerade im Vergleich zum Schicksal Edoms ein Beweis dafür, dass der HERR „Jakob“ bevorzugt(Maleachi 1,2) und sich an dieerinnert, die ihn fürchten (Maleachi 3,16).
Thema 1: Der HERR ist kein ferner, desinteressierter Gott, sondern er segnet die Gerechten und bestraft die Gottlosen2).
Im zweiten und vorletzten Block (b, b‘) klagt Gott die Priester und das Volk des Diebstahls an3). Mit ihren minderwertigen Opfern verachten die Priester den Namen Gottes und den Tisch des HERRN(= Altar) (Maleachi 1,7.12). Das Volk betrügt Gott, indem es gute Tiere verspricht, aber verdorbene schlachtet (Maleachi 1,14), undberaubt Gott, indem es nicht den ganzen Zehnten und nicht das ganze Hebopferan das Haus Gottes abführt (Maleachi 3,8-10). Solche Opfer führen zu Gottes Missfallen und Fluch (Maleachi 1,10.14; 3,9).
Thema 2: Gott will keine halbherzigen, formalen und ungenügenden Opfer. Es geht ihm nicht um etwas äußerlich zur Schau gestellte Religiosität, sondern um Herzen, die ihn ehren und fürchten. Er will genau das bekommen, was er in seinem Gesetz gefordert hat.
Die Blöcke drei und fünf (c, c‘) drehen sich um Levi4) und seine Nachkommen. Während der „Bund mit Levi“ früher zu Gottes Zufriedenheit gelebt wurde (Maleachi 2,5.6; 3,4) haben die aktuellen Priester ihre Berufung als „Boten“ Gottes (Maleachi 2,7) vergessen und sind vom „Weg“ eines wahrhaft priesterlichen Verhaltens5) abgewichen (Maleachi 2,8). Aber Gott wird das ändern. Er „sendet“ den Fluch (Maleachi 2,2) und seinen „Boten“ (Maleachi 3,1; vgl. 3,23) und wird „Levi“ (= die Priester) durch den „Engel des Bundes“ reinigen (Maleachi 3,1-3), weil das Volk gottgewollte „Erkenntnis“ und „Weisung“ braucht (Maleachi 2,7), um vor Gottes Gericht bestehen zu können (Maleachi 2,8; 3,5).
Thema 3: Umkehr im Volk Gottes braucht ein erneuertes Priestertum, das sich an Gottes Wort hält und orthodox lehrt.

CHIASMUS – INHALT


a Maleachi 1,2-5: Falsches Gottesbild - Gott ist nicht lieb genug
-b Maleachi 1,6-14:Falscher Umgang mit dem Tempel - Opfer
--c Maleachi 2,1-9: Der irreführende Dienst der Priester
---d Maleachi 2,10-16: Mischehen undScheidung - Untreue gegen Gott und Menschen
-- c‘ Maleachi 2,17-3,5: Die Wiederherstellung eines brauchbaren Priesterdienstes
- b‘ Maleachi 3,6-12:Falscher Umgang mit dem Tempel - Abgaben
a‘ Maleachi 3,13-21: Falsches Gottesbild - Gott ist nicht radikal genug

Gotteserkenntnis, Frömmigkeit und Bibelwissen bilden den Rahmen für das zentrale Thema:Gott hasst Treulosigkeit6)! Israel ist auf doppelte7) Weise treulos: (1) in ihrer Beziehung zu Gott durch die Mischehen mit ausländischen Frauen (Maleachi 2,11) und (2) in ihrer Beziehung zu den eigenen Ehefrauen durch leichtfertig durchgeführte Scheidungen (Maleachi 2,14-16)8)).
Maleachi will deutlich machen, dass es dringend Zeit wird für einen radikalen Neuanfang mit Gott. Dieser Neuanfang kann gelingen, wenn das Volk Gott als einen Gott erkennt, der das Böse hasst und das Gute liebt, dem es nicht um etwas öffentlich praktizierte Religiösität, sondern um echte Hingabe gehtund der will, dass sein Wort neue Bedeutung auf allen Ebenen des privaten und religiösen Lebens gewinnt.
Der Anhang steht außerhalb der chiastischen Struktur des restlichen Buches, aber er schließt es in mehrfacher Hinsicht ab. Erstens verweist es noch einmal zurück auf den guten Start, den das Volk unter Mose am Horeb hatte (Maleachi 3,22; vgl. 2,5). Dann geht der Blick des Propheten aber ganz weit nach vorn und stellt die aktuelle Aufforderung zur Buße in den größeren Zusammenhang einer kommenden, die Herzen des Volkes bewegenden Bußbewegung, die vom „Propheten Elia“ angeführt werden würde, um das Volk vor dem „Tag des HERRN“ zu retten (Maleachi 3,23.24).


Die Struktur eines Buches ist mir deshalb so wichtig, weil sie die Kernaussagen unterstreicht. Brauchbares Bibelstudium versucht die Schwerpunkte im Text zu finden, die der Autor hineingelegt hat. Alles andere wäre nicht Exegese (Auslegung), sondern „Eisegese“ (Hineinlegung). Literaturtipp: David A. Dorsey: The Literary Structure of the Old Testament, Baker Academic, 1999. Ein grandioses Buch für Struktur-Freaks!


1)
Der ganze Block 2 ist in sich ein 7-teiliger Chiasmus mit Maleachi 1,9 im Zentrum. Sein Thema lautet: Unreine Opfer sind nutzlos und solcher Opferdienst ist Gott ein Gräuel!
2)
Die Begriffe „gottlos/Gottloser“, „Gottlosigkeit“ (im Hebräischen dasselbe Wort) tauchen nur im ersten und letzten Block auf.
3)
Die Blöcke Maleachi 1,6-14 und 3,6-12 beginnen mit einem auffälligen Wortgefecht zwischen Gott und den Priestern/dem Volk. Während die Blöcke Maleachi 1,2-5; 2,17-3,5 und 3,13-21 mit je einem Einwand („Aber ihr sagt“, „Doch ihr sagt“ und „Ihr aber sagt“) auskommen, findet sich hier jeweils ein doppelter Widerspruch (Maleachi 1,6.7: „Doch ihr sagt […] Doch ihr sagt“; Maleachi 3,7.8: „Ihr aber sagt […] Ihr aber sagt“).
4)
Levi wird nur in diesen Blöcken erwähnt.
5)
Wozu auch die Belehrung des Volkes und die Rechtsprechung zählte.
6)
Für den Prediger ist das zentrale Thema ein wenig enttäuschend, aber für Maleachi ist es die Kernaussage, weil zu seiner konkreten Zeit Buße in dieser Frage für das Volk lebensnotwendig war. Die aktuelle Sünde in meinem Leben ist immer die wichtigste Sünde, weil sie die größte Zerstörungskraft besitzt.
7)
vgl. Maleachi 2,13
8)
Offen bleibt, ob die beiden Themen miteinander verbunden sind. Es ist gut vorstellbar, dass sich jüdische Männer von ihren älteren Frauen scheiden ließen, um hübsche, junge Ausländerinnen zu heiraten. Leider ist das geistliche Unterscheidungsvermögen in diesen Dingen bei jungen Männern oft höher ausgeprägt als bei den alten (vgl. die Aussage über Salomo in 1Könige 11,4