4,4 Und was wollt ihr mir denn, Tyrus und Sidon und alle Bezirke Philistäas? Wollt ihr mir eine Tat vergelten, oder wollt ihr mir etwas antun? Schnell, eilig werde ich euer Tun auf euren Kopf zurückbringen, 4,5 weil ihr mein Silber und mein Gold weggenommen und meine besten Kleinode in eure Tempel gebracht habt, 4,6 und die Söhne Juda und die Söhne Jerusalems habt ihr den Söhnen der Griechen verkauft, um sie weit von ihrem Gebiet zu entfernen. 4,7 Siehe, ich will sie erwecken von dem Ort, wohin ihr sie verkauft habt, und will euer Tun auf euren Kopf zurückbringen. 4,8 Und ich werde eure Söhne und eure Töchter in die Hand der Söhne Juda verkaufen; und die werden sie an die Sabäer verkaufen, an eine ferne Nation. Denn der HERR hat geredet.

Das Thema des Gerichts über die Nationen tritt kurz zurück und wird erst in Joel 4,9 wieder aufgenommen. Der Einschub erweitert die Anklagepunkte gegen die fremden Nationen und zeigt, wie rücksichtslos die Völker um Israel herum mit Gottes Volk umgegangen sind.
Der historische Hintergrund für Joels Beschreibung könnte die babylonische Gefangenschaft sein, weil die Philister (Hesekiel 25,15-17), Sidon (Hesekiel 28,20-24) und Tyrus (Hesekiel 26,2) in diesem Zusammenhang von Hesekiel als Feinde oder Kriegsgewinnler benannt werden. Wenn schon die Edomiter den Fall Jerusalems für sich ausgenutzt haben (Obadja 13), werden die Händlervölker des Mittelmeers wohl kaum darauf verzichtet haben, ihren Anteil am Gewinn einzustreichen.
Bei aller Geschichtlichkeit, stellen diese Völker jedoch nur einen Ausschnitt „aller Nationen“ (Joel 4,2) dar, die sich im Tal Joschafat zum Gericht Gottes treffen werden. Das Verhalten von Tyrus, Sidon und Philistäa ist aber ein Indikator für die Einstellung aller anderen Völker. Sie sind die Prototypen eines bis heute weltpolitisch grassierenden Antisemitismus.
Zuerst fragt Gott die Angeklagten: Was wollt ihr mir denn? Die Antwort ist einfach: keiner kann Gott etwas! Niemand kann ihm eine Tat vergelten oder etwas antun. Es ist gerade anders herum. Gott bringt ihr Tun auf ihren Kopf zurück (Joel 4,4.7), d.h. er straft sie mit der Strafe, die sie verdienen. Sie hatten sein (!) Silber und Gold geraubt und seine (!) besten Kleinode1) in ihre Tempel gebracht. (vgl. 1Samuel 5,2; Daniel 1,2) Die Söhne Juda und Jerusalems wurden weit von ihrem Gebiet, ohne Hoffnung auf Rückkehr, in die Sklaverei verkauft2). Aber Gott sind alle Dinge möglich! Er wird seine Kinder dort erwecken, d.h. zurück nach Juda in Bewegung setzen, und den Feinden das antun, was sie den Juden angetan haben. Seine Strafe ist nicht übertrieben. Er wird ihre Söhne und Töchter in die Hand der Söhne Juda verkaufen, die sie an die Sabäer verkaufen werden3).

1)
= Schmuckstücke
2)
Das ist für die babylonische Gefangenschaft so nicht bezeugt (was nicht heißt, dass es ausgeschlossen ist), wird aber bei Josephus für die Zeit nach dem Fall Jerusalems 70 n.Chr. beschrieben (Der Jüdische Krieg, Buch 6,384.417.418; vgl. 5Mose 28,68 mit der Formulierung bei Josephus, dass die jüdischen „Gefangenen […] zu Spottpreisen“ verkauft wurden.).
3)
Auch für dieses Verhalten gibt es keine historische Bestätigung, sodass ich mir erlaube, Joel 4,4-8 weniger als Geschichtsschreibung, sondern als geschichtliches Prinzip zu verstehen, das sich in einem latenten oder offen ausbrechenden Antisemitismus über die Jahrhunderte permanent verwirklicht hat und die Tatsache unterstreicht, dass, was auch immer im Tal Joschafat an Gericht stattfindet, gerecht ist.