2,17 Die Priester, die Diener des HERRN, sollen weinen zwischen Vorhalle und Altar1) und sagen: HERR, blicke mitleidig auf dein Volk und gib nicht dein Erbteil2) der Verhöhnung preis, so dass die Nationen über sie spotten! Wozu soll man unter den Völkern sagen: Wo ist ihr Gott?
Die Priester haben beim Flehen eine Vorreiterrolle. Sie vertreten das Volk vor Gott und sprechen aus, was (hoffentlich) in aller Herzen ist. Sie sollen weinen und Gott um Gnade anflehen.
Auf den ersten Blick verwundert die Bitte ein wenig. Wir würden erwarten, dass die Priester ein Schuldeingeständnis vorbringen, aber die Sünde des Volkes spielt in „Joel“ keine Rolle. Sie wird überall vorausgesetzt, aber nie angesprochen3).
Hinzu kommt, dass es zwei Argumente gibt, warum Gott ein bußfertiges Volk retten und segnen sollte. Zum einen könnte er auf ihr Sündenbekenntnis reagieren (vgl. 1Johannes 1,8,9), aber ist unser Eingeständnis von Sünde wirklich das stärkste Argument für Gottes Mitleid? Wir reden an dieser Stelle nicht nur von der Vergebung von Schuld, sondern auch davon, dass Gott die negativen Folgen unseres Lebens VOR der Bekehrung in Segen NACH der Buße verwandelt. Asaf gibt uns in Psalm 79,9.10 vor dem Hintergrund einer Militärinvasion einen wichtigen Hinweis, wenn er schreibt: „Hilf uns, Gott unseres Heils, um der Ehre deines Namens willen. Rette uns und vergib unsere Sünden um deines Namens willen! Warum sollen die Nationen sagen: Wo ist ihr Gott?“ Der Name, d.h. der Charakter Gottes, ist das eigentliche Argument hinter aller Rettung und allem Segen4). Deshalb lautet das Argument der Priester: Gott, schau doch wie du dastehst, wenn wir schlecht aussehen! Was werden die Nationen, also die anderen Völker, über dich denken, wenn sie sehen, wie schlecht es uns geht? Werden sie nicht spötteln: Wo ist ihr Gott? Welche Vorstellung werden die Völker ringsum vom Gott Israels bekommen, wenn er trotz der nationalen Buße nicht eingreift? Werden sie nicht denken müssen, dass er schwach und hilflos ist? Wird seine Ehre nicht auf der Strecke bleiben?
Ich denke, wir tun gut daran, dieses Argument zu verinnerlichen. Nicht nur Israel war zu seiner Ehre geschaffen (Jesaja 43,7), sondern wir sind es auch! Unser ganzes Leben soll zum „Preise seiner Herrlichkeit“ (Epheser 1,12) sein. Welchen Eindruck von Gott bekommen die Menschen um uns herum, wenn sie uns beobachten? Stehen wir dem Segen Gottes im Weg oder lassen wir es zu, dass sein Leben in uns zum Licht für die Menschen wird (Johannes 1,4)?
„Joel“ zeigt uns, dass Rettung und Segen zusammen gehören. Wir sind nicht nur dazu berufen, die Ewigkeit mit Gott zu verbringen, sondern auch seine zeitlichen Segnungen - soweit es eine sündige Welt zulässt - zu genießen. Wenn das Leben mit Gott keinen qualitativen Unterschied macht, wenn ewiges Leben nicht in der Gegenwart sichtbar wird, dann ist Gottes Reich keine Realität, sondern eine Utopie. Wenn Christen so leben wie die Welt um sie herum, werden die Menschen dann nicht zurecht sagen: „Wo ist ihr Gott?“
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