2,13 Und zerreißt euer Herz und nicht eure Kleider und kehrt um zum HERRN, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig, langsam zum Zorn und groß an Gnade, und lässt sich das Unheil gereuen. 2,14a Wer weiß, [vielleicht] wird er umkehren und es sich gereuen lassen und Segen hinter sich zurücklassen:
Drei Dinge sind für das Volk nötig, um Buße zu tun: (1) zerreißt euer Herz und (2) kehrt um zum HERRN und (3) bringt „Speisopfer und Trankopfer für den HERRN“ (Vers 14b). Lebensausrichtung, Lebenswandel und Gottseligkeit1) bilden eine Einheit. Echte Buße umfasst das ganze Leben bis hinein in die Gestaltung des Alltags.
Drei Gefahren stellen sich echter Buße in den Weg. Buße kann sich mit dem Zerreißen von Kleidern begnügen2). Eine äußerliche Betroffenheit (vgl. 2Korinter 7,10) tritt an die Stelle einer innerlichen Zerrissenheit. Das „O Gott sei mir, dem Sünder, gnädig!“ (Lukas 18,13) verkommt so zur frommen Show, die andere beeindrucken kann, aber vor Gott nicht gilt. David bringt es in Psalm 51,19 wunderbar auf den Punkt: „Die Opfer für Gott3) sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten“. Sie hatten ihr „Herz zu Diamant“ gemacht, „um die Weisung nicht zu hören“ (Sacharja 7,12), es war unempfindlich für Gottes Wort geworden. Jetzt müssen sie das erkennen und die Falschheit ihrer Einstellung erkennen. Sie müssen zugeben, dass ihr altes Denken und Handeln komplett daneben war. Wer sein Herz zerreißt, der vernichtet den Wahrheitsanspruch des alten Menschen mit seinen Idealen, Träumen, Prinzipien und Begierden. Wer sein Herz zerreißt, der kapituliert vor der Wahrheit in Gottes Wort und damit vor Gott selbst, erkennt sich als Sünder und weiß um die Unbrauchbarkeit des eigenen Lebenskonzeptes. Wer sein Herz zerreißt, der achtet sein vergangenes Leben - inklusive der Erfolge - für „Dreck“ (Philipper 3,8), weil er das eigentliche Ziel im Leben, das Ziel, an dem er bislang vorbei lebte, erkannt hat, nämlich, Gott zu erkennen. Paulus kann es so ausdrücken: „Ja, wirklich, ich achte auch alles für Verlust4) um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, damit ich Christus gewinne.“ (Philipper 3,8).
Zur inneren Betroffenheit und Neuausrichtung kommt die eigentliche Umkehr. Wenn Joel sagt kehrt um zum HERRN, eurem Gott, dann konfrontiert er uns mit der Gefahr einer „Buße“, die sich mit einer Innenschau und dem Erschrecken vor der eigenen Sündhaftigkeit begnügt. Nicht nur die Lebensausrichtung, der ganze Lebenswandel muss sich ändern. Um im Bild des verlorenen Sohns aus Lukas 15 zu sprechen: Es ist nicht genug, über die Tatsache traurig zu sein, dass man alles falsch gemacht hat (Lukas 15,17), man muss auch den Entschluss fassen, zum Vater zurück zu kehren (Lukas 15,18), und sich tatsächlich auf den Weg machen (Lukas 15,20). Das Neue Testament spricht in diesem Zusammenhang von „Heiligung“ und einem Lebensstil, der Jesus als großes Vorbild imitiert. Eine Buße ohne ein Leben in Gottes Sinn ist eigentlich keine Buße, sondern ein geistlicher Rohrkrepierer. Der Apostel Johannes drückt es im 1Johannesbrief, in dem es thematisch um echtes Christsein geht, so aus: „Und hieran erkennen wir, dass wir ihn (= Gott) erkannt haben: wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich habe ihn erkannt, und hält seine Gebote nicht, ist ein Lügner.“ (1Johannes 2,3.4) Wer zum HERRN umkehrt, rennt wie der verlorene Sohn nicht mehr vom Vater weg, sondern auf ihn zu und möchte ihm so nahe wie möglich kommen. Und Nähe zu Gott ist nur durch Gehorsam möglich (Johannes 14,21).
Die Grundlage für eine solche Umkehr zu Gott findet sich nicht in uns. Nicht wir sind es wert, dass Gott uns rettet. Umkehr ist nur möglich, weil Gott gnädig5) und barmherzig, langsam zum Zorn und groß an Gnade6) ist und sich das Unheil gereuen lässt. Unser Gott ist ein lebendiger Gott, der Anteil am Schicksal seiner Geschöpfe nimmt und sich auf sie einlässt. In ihm treffen sich Heiligkeit und Liebe. Heiligkeit fordert einen Tag des HERRN, das Gericht, während Liebe eine Zeit zur Buße schenkt und ein paar Heuschrecken als Warnung bevor der Himmel sich zum letzten Mal verfinstert. Vorsicht: Die Güte Gottes will uns zur Buße leiten (Römer 2,4) und jeder Versuch mit Gott zu handeln wird vergeblich sein, denn: „Nicht ein Mensch ist Gott, dass er lüge, […]. Sollte er gesprochen haben und es nicht tun und geredet haben und es nicht aufrechthalten?“ (4Mose 23,19). Wer mit unbußfertigem Herzen meint, den „Reichtum seiner Gütigkeit und Geduld und Langmut“ (Römer 2,4) ausnutzen zu können, häuft sich letztlich nur „Zorn auf für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes“ (Römer 2,5), wenn Gott „einem jeden vergelten wird nach seinen Werken“ (Römer 2,6). Deshalb kann man Buße nicht planen und man sollte sie nicht aufschieben!
Wie wenig Gott sich von Menschen benutzen lässt und seine Souveränität schützt sehen wir an der Formulierung: wer weiß [vielleicht] wird er umkehren. Joel präsentiert keine Buß-Dogmatik, keine Bauanleitung für echte Umkehr und kein Rezept, das nie danebengehen kann. Uns gegenüber steht eine Person. Vergessen wir das nicht! Und zwar eine göttliche Person mit einem eignen Willen! Und deshalb müssen wir uns einerseits mit unserem ganzen Sein auf Gott werfen, rückhaltlos alles geben, um andererseits loszulassen und ganz auf Gott zu vertrauen. Wir können ihn mit unsrer schönsten Buße nicht beeindrucken oder manipulieren. Er wird nicht zum dienstbereiten Agenten eines zerrissenen Herzens. Gott ist Gott und bleibt Gott - Punkt. Er lässt sich nicht zum Erfüllungsgehilfen degradieren wie die Götter der Kanaaniter7). Nicht einmal Joel kann versprechen8), dass Gott sich fünf vor zwölf umstimmen lässt und Segen zurücklassen wird statt totale Auslöschung. Aber der Prophet weiß: Wenn es irgendwo einen Helfer gibt, der noch helfen kann, dann ist es Jahwe, der Allmächtige. Und Jakobus schreibt: „Naht euch Gott, und er wird sich euch nahen. Säubert die Hände, ihr Sünder, und reinigt die Herzen, ihr Wankelmütigen!“ (Jakobus 4,8). Nur wenn Gott an ihre Seite tritt, gibt es noch Hoffnung.
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