Mir macht es Spaß, sogenannte Widersprüche in der Bibel zu erforschen. Es darf uns ja grundsätzlich erst einmal nicht überraschen, dass ein Buch, das zwar vom Heiligen Geist inspiriert, aber von ganz unterschiedlichen Leuten geschrieben wurde, an der ein oder anderen Stelle auf den ersten - flüchtigen - Blick auch „Widersprüche“ enthält. Einfach deshalb, weil Augenzeugen einen Sachverhalt grundsätzlich nie exakt gleich beschreiben (außer sie sprechen sich ab), weil Sprache nicht mathematisch exakt ist und weil es im Vergleich Antike zu Postmoderne einfach mal Unterschiede gibt, wie Dinge beschrieben werden (Schwerpunkt, Ausdrucksweise, Erwartung an Exaktheit…).
Mir macht es Spaß, sogenannte Widersprüche zu erklären. Und meist ist das auch recht einfach. Aber das hier ist vielleicht der kniffeligste Fall.
Worum geht es: In Lukas 9 und Markus 6 schickt Jesus seine Jünger auf Missionsreise. Hier die Bibelstellen:
Markus 6,8.9: Und er gebot ihnen, dass sie nichts mit auf den Weg nahmen als nur einen Stab; kein Brot, keine Tasche, keine Münze im Gürtel, 9 sondern Sandalen untergebunden. Und zieht nicht zwei Unterkleider an!
Lukas 9,3: Und er sprach zu ihnen: Nehmt nichts mit auf den Weg: weder Stab noch Tasche noch Brot noch Geld, noch soll jemand zwei Unterkleider haben!
Ich denke, das Problem ist klar. Markus spricht davon, dass die Jünger einen Stab mitnehmen sollen und Lukas spricht davon, dass das ganz klar nicht gewünscht war.
Die vielleicht beste Analyse des Problems (mit Lösungen) findet sich hier: Artikel im Catholic Biblical Quarterly von Barnabas Ahern vom Juli 1943
Eine Zusammenstellung der möglichen Erklärungen bietet diese Seite: Zusammenstellung Erklärungen
Meine (aktuelle) Erklärung geht so:
Palästinensische Hirten trugen zwei verschiedene Arten von Stäben. Der eine war ein dünner und leichter Spazierstock, der andere ein kürzerer, dickerer Knüppel, der in etwa wie ein Schlagstock der Polizei funktionierte. Diese beiden sehr unterschiedlichen Geräte wurden oft mit demselben griechischen Wort bezeichnet. Man könnte argumentieren, dass Markus den offensichtlichen Spazierstock zulässt, den jeder auf eine Reise mitnehmen würde, während Lukas und Matthäus die Verwendung von Selbstverteidigungsmitteln verbieten. Dies würde im Lukasevangelium Sinn machen, da Jesus in 22,36 die Jünger auffordert, alles mitzunehmen, was ihnen verboten war, als Jesus sie zum ersten Mal aussandte – mit dem Unterschied, dass er ihnen sagt, sie sollen ein Schwert kaufen, vermutlich zur Selbstverteidigung. Indem er dies tut, betont Lukas, dass Jesus ihnen sagte, sie sollten kein Werkzeug zur Selbstverteidigung mitbringen, als er sie zum ersten Mal hinausschickte.
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