Henoch

Judas 14: Wer ist dieser Henoch, den Judas hier zitiert, und aus welchem Buch stammt das Zitat?

Judas 14 zitiert die sogenannte „Apophtegmata“ oder „Aussprüche“ des Henoch, die auch als „Henochische Schriften“ bekannt sind. Diese Schriften sind eine Sammlung von Texten, die im Judentum und Christentum als apokryph oder pseudepigraph betrachtet werden, d.h. sie sind nicht Teil des kanonischen Alten Testaments. Das Buch Henoch ist pseudoepigrapfisch, d.h. es wird der Figur des Henoch zugeschrieben, er hat es aber nicht geschrieben.

Die genaue Passage, die Judas 14 zitiert, findet sich im Buch Henoch, Kapitel 1, Verse 9 oder in einigen Versionen als Kapitel 2, Verse 1-2, je nachdem, welche Version des Buches Henoch verwendet wird.

Man kann an dieser Stelle fragen, wieso Judas ein apokryphes Werk zitiert. Und noch dazu als Argument? Und warum definiert er das Zitat als Prophetie?

1. Warum zitiert er das Buch Henoch? Antwort: Weil es in bei seinen Zuhörern bekannt war. Ebenso übrigens wie das Zitat von Epimenides, das Paulus in Athen in Apostelgeschichte 17,28 anführt.

2. Warum verwendet er es als Argument? Antwort: Weil das Buch bei seinen Zuhörern anerkannt war. Vorsicht! Nicht unbedingt als Wort Gottes! Ich kann doch heute auch aus einer Spurgeon-Predigt zitieren und das Zitat als Argument gebrauchen, wenn ich es mit reformierten Zuhörern zu tun habe! Ein Argument gewinnt nicht nur Gewicht aus der Tatsache, dass es Wort Gottes ist, sondern auch aus der Tatsache, dass es bei den Zuhörern ein eigenes, geistliches Gewicht besitzt. Warum auch immer! Wahrheit hat etwas Anziehendes und Überführendes, selbst dann, wenn sie von fiktiven Charakteren ausgesprochen wird. Oder würden wir nicht alle diesem Satz irgendwie zustimmen: „Angst ist der Pfad zur dunklen Seite. Angst führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.“ auch wenn von einem Filmhelden (Yoda) gesprochen wurde?

3. Warum spricht er davon, dass es eine Prophetie ist? Antwort: Weil der Text tatsächlich ein zukünftiges Gericht voraussagt.

Mich lehrt dieser Text hier etwas über die Freiheit der biblischen Autoren, die vom Heiligen Geist inspiriert, aber eben nicht bevormundet oder manipuliert werden. Wäre Inspiration ein Diktat durch den Heiligen Geist, dann kann ich mir kaum vorstellen, dass es das Buch Henoch als Zitat in die Bibel geschafft hätte.

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