Mehrfach heißt es im Neuen Testament, dass Jesus „gezeugt“ wurde. Daraus leiten Sekten gern ab, dass Jesus nicht vollwertig Gott sein kann. Im Hebräerbrief wird in Hebräer 1,5 und 5,5 die Stelle aus Psalm 2,7 zitiert, die von der Zeugung Jesu spricht. Wer verstehen will, was es mit der „Zeugung“ auf sich hat, muss sich genauer mit Psalm 2 auseinandersetzen. Psalm 2 beschreibt, wie Gott der Vater über die Versuche lacht, die Einsetzung des Sohnes als König aller Könige aufzuhalten (Psalm 2,1-4). Dann spricht Gott der Vater: „Habe doch ich meinen König geweiht auf Zion, meinem heiligen Berg“ (Psalm 2,6) und der Sohn wiederholt, was er den Vater sagen hört: „Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt.“ Das „heute“ bezieht sich also nicht auf die Zeugung, sondern auf die Inthronisation des Sohnes als König. Der Ort der Inthronisation ist Jerusalem (Die Zeugung Jesu fand in Nazareth statt!). Im Nahen Osten waren die Könige wenigstens von Gott berufen und befähigt, ihre Autorität auszuüben. In einigen Kulturen gipfelte dies in einer „Gott“-Mensch-Beziehung, die als Sohnschaft bezeichnet werden kann. Der König wurde mit der Amtseinführung als leiblicher oder wenigstens adoptierter Sohn der Götter angesehen. Obwohl im Alten Testament keinem menschlichen König jemals in irgendeiner Weise Göttlichkeit zugeschrieben wurde, benutzt Psalm 2 die Begriffe aus der kultischen Sprache des Nahen Ostens zur Inthronisation eines Königs, um auf prophetische Weise die Bedeutung von Kreuz und Auferstehung zu beschreiben. In Jerusalem wird Gott nicht gezeugt (i.S.v. geschaffen), sondern der König aller Könige tritt seine Herrschaft an.
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