Apostelgeschichte 23,3: Ist so eine Ausdrucksweise in Ordnung, wenn es sich nicht um Hohepriester handelt?

Für Paulus macht es anscheinend einen Unterschied. Ich denke nicht, dass es eine Sünde ist, einem Menschen deutlich seine Sünde vor Augen zu führen. Die „getünchte Wand“ ist ein Bild für Heuchelei. Eine Mauer, die Risse hat, wird mit ein bisschen Farbe „schön“ gemacht. Anspruch und Wirklichkeit passen nicht mehr zueinander. Paulus hat inhaltlich Recht, wenn er das gesetzeswidrige Verhalten des Hohenpriesters hier anprangert. Und auch Jesus ist mit deutlichen Worten gegen die Heuchelei der Pharisäer vorgegangen! Und doch hat der Hohepriester ein Recht auf eine Sonderbehandlung. Anscheinend haben Menschen mit Leitungsverantwortung das Recht auf besonderen Schutz vor Verleumdung (vgl. 1Timotheus 5,19), da sie (öfter) in der Gefahr stehen, Fehlentscheidungen zu treffen. Im Blick auf sie hat man bei der Wortwahl extra vorsichtig zu sein. Von daher glaube ich, dass die Antwort auf die Frage „ja“ heißen muss. Man darf Sünde mit deutlicheren Worten bloß stellen, wenn es sich nicht um den Obersten handelt. Die Frage, die ein Stück weit offen bleibt, ist, ob Paulus in V. 5 leicht sarkastisch auf das wenig hohepriesterliche Verhalten anspielt, oder eher aufgrund eines vermeintlichen Augenproblems nicht genau sehen konnte, wer dort gerade sprach. Auf jeden Fall weist er sich selbst anhand der Schrift zurecht und bleibt damit seiner Selbstdarstellung in V. 1 treu.

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