2,12 Doch auch jetzt, spricht der HERR, kehrt um zu mir mit eurem ganzen Herzen und mit Fasten und mit Weinen und mit Klagen!

Hier kommt der Höhepunkt aller Bemühungen Joels um Buße, der konkrete Aufruf zur Umkehr. Die Entscheidung steht an: Auf der einen Seite steht der Tag des HERRN, den niemand ertragen kann, auf der anderen Seite ein Tag zum Fasten, Weinen und Klagen. Sie müssen sich jetzt entscheiden1). Der Appell zur Umkehr trifft ein Volk, das ganz offensichtlich vom Weg mit Gott abgekommen ist. Das Bundesvolk ist dazu berufen, an der Seite Gottes zu laufen, sich an seinen Geboten zu orientieren und seinen Segen zu genießen. Verlassen sie ihren Jahwe, betreten sie als Verfluchte das Minenfeld göttlicher Sanktionen. Noch ist Zeit zur Buße, aber Vorsicht: Sie muss echt sein. Gott steht nicht auf die fromme Show! Er blickt durch uns hindurch wie durch eine frisch geputzte Fensterscheibe. Gott will das Beste, was wir haben, unser Herz.


Exkurs: Das Herz
(Übernommen aus der Gedankensammlung zu „Die Sprüche“. Teilweise veröffentlicht auf: www.frogwords.de/texte/kommentar_sprueche)


Gott will uns ganz! Es mag sein, dass wir nur deshalb Buße tun, um unsere Haut zu retten - ich glaube, dass niemand sich aus wirklich edlen Motiven heraus bekehrt -, aber echte Buße ist immer eine Umkehr zu Gott mit ganzem Herzen, d.h. ohne Netz und doppelten Boden. Es ist eine Umkehr, die unser ganzes Sein mit seinen Gefühlen, dem Verstand und der Ethik umfasst. Jahwe hatte es schon erlebt, dass Juda im Angesicht des Untergangs seines Schwestervolkes Israel2) „nicht mit ihrem ganzen Herzen […] , sondern nur zum Schein3)“ zurückgekehrt war (Jeremia 3,10). Deshalb ermahnt er durch Joel das Südreich, diesen Fehlern nicht auch zu begehen. Wenn Buße, dann richtig4)! Sie sollten sich selbst untersuchen, ihre eigene Sünde erkennen und durch Fasten, Weinen und mit Klagen, die Ernsthaftigkeit ihrer Buße zum Ausdruck bringen. Lassen sie den Zeitpunkt verstreichen oder ist ihre Umkehr unaufrichtig, dann gibt es für sie keine Hoffnung mehr.


1)
Wie in vielen Lebenslagen ist ein Nicht-Entscheiden auch eine Entscheidung; in diesem Fall für den Untergang. Man kann Buße einfach nicht beliebig hinausschieben. „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht“, heißt es in Hebräer 3,15 und der Unglaube Israels in der Wüste wird zum warnenden Beispiel für ein Volk, das nicht hören wollte, obwohl es Gottes Segnungen und Strafen erlebt hatte. Man kann im Unglauben verharren, sein Herz verhärten und für Gottes Erziehung taub werden. Wie schlimm ist es, wenn Gott dem Nordreich durch Amos sagen muss: „Und so habe auch ich […] blanke Zähne gegeben […] Mangel an Brot […] Und doch seid ihr nicht zu mir umgekehrt […] ich habe euch den Regen vorenthalten […] Und doch seid ihr nicht zu mir umgekehrt […] Ich habe euch mit Getreidebrand und mit Vergilben geschlagen. Ich habe eure Gärten und eure Weinberge vertrocknen lassen, und eure Feigen- und Olivenbäume fraß die Heuschrecke. Dennoch seid ihr nicht zu mir umgekehrt […] Ich schickte euch die Pest […] Ich habe euer jungen Männer mit dem Schwert erschlagen […] Dennoch seid ihr nicht zu mir umgekehrt […] Ich habe eine Umkehrung unter euch angerichtet […] Und doch seid ihr nicht zu mir umgekehrt. (aus Amos 4,6-11). Unbußfertigkeit ist eine Realität. Passen wir bloß auf, dass sie sich nicht in unserem Leben einnistet!
2)
Jeremia denkt dabei an die Wegführung des Nordreiches 722 v.Chr. nach Assyrien. Im Alten Testament steht „Israel“ sowohl für die ganze Nation wie auch für das Nordreich, während „Juda“ zuerst nur für das Südreich steht. Erst nach der Wegführung des Nordreiches werden die Bewohner von Juda, die Juden, zum Synonym für Israeliten.
3)
wörtlich: in Lüge
4)
Paulus hat dasselbe im Sinn, wenn er in Römer 12,1 davon auffordert, „eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer“. Hier ist der „Leib“ die Summe aller Lebensäußerungen, d.h. der ganze Mensch (Denken und Handeln), in Auseinandersetzung mit der „Welt“, deren Denken den Menschen versklaven will (vgl. Röm 12,2). Und das Bild vom „Opfer“ bringt das Ende des alten Denkens und Handelns zum Ausdruck.