3,8 Darf ein Mensch Gott berauben? Ja, ihr beraubt mich! — Ihr aber sagt: »Worin haben wir dich beraubt?« Im Zehntenund im Hebopfer.

Umkehr bezieht sich immer auf ganz praktische Dinge. Buße ist nie nur ein allgemeines Konzept, das keinen Niederschlag in meinem Denken oder Verhalten findet. Gott zeigt seinem Volk nun einen viertenBereich, in dem sie umkehren können1): Abgaben für den Tempel.
Dabei ist sich das Volk einmal mehr seiner Verfehlung gar nicht bewusst: Worin haben wir dich beraubt? Es muss hier offen bleiben, ob ihre Rückfrage aus Unwissenheit oder Unwilligkeit herrührt. Vielleicht hatten die Priester ihnen nicht das ganze Gesetz gelehrt (vgl. Maleachi 2,7.8) und sie wussten es nicht besser, vielleicht kannten sie aber doch Gottes Gebote und waren einfach nicht dazu bereit, das an Abgaben zu leisten, was das Gesetz vorsah2).
Gott gibt ihnen auf ihre Frage eine sehr präzise Antwort. Sie geben nicht den Zehnten und nicht das Hebopfer.
Die Abgabe von 10% der Einnahmen für den Tempel und den Staat war ein weitverbreitetes Prinzip im Nahen Osten und ist für die Kanaaniter, Phönizier, Araber, Karthager und Lydier belegt. Wir lesen zum ersten Mal davon in 1Mose 14,20, wo Abram dem Priesterkönig Melchisedek den Zehnten seiner Beute gibt, und dann wieder beiJakob,der Gott den Zehnten in Bethel als Ausdruck seiner Hingabe verspricht3) (1Mose 28,22). Im Gesetz des Mose finden wir verschiedene Zehnte4). Für das Verständnis dieses Textes ist der Zehnte „vom Samen des Landes“entscheidend, der dem „HERRN heilig“ war (3Mose 27,30) und von dem die Leviten leben, aber auch selbst wieder als Opfer ein „Hebopfer für den HERRN“, „den Zehnten von dem Zehnten“ darbringen sollten (4Mose 18,26.28). Die Versorgung der Leviten war zur Zeit Maleachis eingestellt worden und die Tempelbediensteten hatten ihre Arbeit eingestellt (Nehemia 13,10)5).
Das mit Hebopfer übersetzte hebräischer Wort konnte für freiwillige Gaben stehen (2Mose 25,3; 3Mose 22,12; Esra 8,25) oder den bestimmten Teil eines größeren Opfers bezeichnen (3Mose 7,14.32). Sie wurden zum Erhalt der Stifthütte und des Tempels, besonders aber für den Unterhalt der Priester verwendet (2Mose 29,27.28; 4Mose 18,8.9).
Das Volk beraubt Gott, indem es dem Tempel den Zehnten verweigert und den Dienst der Priester erschwert (vgl. 1Korinther 9,13; 5Mose 18,1-4).


1)
Vorher hatte er schon die Themen „Opfertiere“ (Maleachi 1,14), „Mischehen“ (Maleachi 2,11) und Scheidung (Maleachi 2,14) angesprochen. Weitere allgemeine Sünden werden in Maleachi 3,5 aufgezählt und die Priester hatten sich ganz grundsätzlich an ihrer Berufung schuldig gemacht (Maleachi 1,1,6-2,9).
2)
Wie sie eben auch nicht bereit waren die Opfer zu bringen, von denen sie wussten, dass sie angemessen gewesen wären (Maleachi 1,14). Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Priester dem Volk nicht genau erklärten, was sie zu geben hätten, lebten sie doch wesentlich von diesen Abgaben!
3)
Allerdings dürfen wir nicht aus der weiten Verbreitung des Zehnten ableiten, dass er auch für Christen verbindlich wäre. Nirgendwo im Neuen Testament wird der Zehnte von Christen gefordert. Das Geben selbst wird zum Opfer (Hebräer 13,16) und die Menge des Geldes ist unserem „Gedeihen“ (1Korinther 16,2) und unserer Freudigkeit überlassen (2Korinther 9,7).
4)
Im Alten Testament werden drei Zehnte unterschieden: Der jährliche Zehnte für die Leviten und den Unterhalt des Tempeldienstes (4Mose 18,21-24.29-32), der jährliche Zehnte für das Feiern vor Gott (5Mose 14,22-27) und ein Zehnter alle drei Jahre für die Armen (5Mose 14,28.29). Vom ersten Zehnten erhielten die Priester wiederum den zehnten Teil. Zusätzlich erhob wahrscheinlich der König noch einen Zehnten (1Samuel 8,15-17) und das Volk sollte allezeit bereit sein, den Armen zu helfen (5Mose 15,11). Vgl. zu der Thematik: Tobias 1,6-8.
5)
Erst Nehemia wird das Problem lösen (Nehemia 13,12). Maleachis Ruf zur Buße war allein also nicht wirksam!