1,3 Esau aber habe ich gehasst, und ich habe seine Berge zum Ödland gemacht und seinen Erbbesitz den Schakalen der Steppe <überlassen>.

Wenn Gottes Liebe zu Jakob sich darin zeigt, dass er ihn zum direkten Vorfahren des Messias erwählt, dann hat er Esau als Person „gehasst“, weil dieser nicht erwählt wurde. Gottes „Hass“ auf Esau ist kein Hass in dem Sinn, wie Gottihn auf Götzendienst (5Mose 12,31), Gottlose (Psalm 11,5), Raub und Unrecht (Jesaja 61,8) oder unehrlichen Gottesdienst (Amos 5,21) hat. Gott hat Esau nicht verdammt1). Vielmehr ist es so: Im Blick auf Beziehungen kann „hassen“ so viel bedeuten wie „weniger lieben“. Von Jakob lesen wir, „er liebte auch Rahel, mehr als Lea“ (1Mose 29,30). Im Satz danach wird dieser Sachverhalt mit den Worten beschrieben: „Und als der HERR sah, dass Lea gehasst wurde“ (1Mose 29,31). Mit dem Wortpaar „lieben - hassen“ kann man also in Beziehungen beschreiben, wer der Favorit ist und wer nur die zweite Wahl2) darstellt. In diesem Sinn hat Gott Esau gehasst und ihm ein Privileg verweigert, das ihm aufgrund seines Erstgeburtsrechts eigentlich zugestanden3) hätte.
Leider ist es bei Esaus Nachkommen nicht dabei geblieben. Während Esau sich mit Jakob versöhnt (1Mose 33) und von Gott das Gebirge Seir zum Besitz erhält (5Mose 2,5.224)), werden seine Nachfahren, die Edomiter, von Gott für ihre Gottlosigkeit (vgl. Obajda5); Hesekiel 35,5; Psalm 137,7)verflucht (Jeremia 49,7-22) und gerichtet (Jesaja 34,5-17; 63,1-6; Hesekiel 35). Und Gott reagiert auf ihre Sündhaftigkeit mit Vertreibung6). Das Gebirge Seir wird zum von Schakalen bewohnten Ödland.
Wenn Israel wissen will, ob Gott es liebt, dann genügt ein Blick in die Geschichte. Das nah verwandte Brudervolk ist beinahe ausgelöscht, während Israel trotz aller eigenen Sünde noch existiert. Ist das nicht ein Beweis für Gottes Zuneigung?


1)
Ebenso wenig wie er Israel zum ewigen Leben bestimmt hat! Die Liebe zu Israel bedeutet nicht, dass jeder Israelit automatisch „in den Himmel“ kommt.
2)
Was Jakob übrigens nicht davon abhält, mit der „zweiten Wahl“ sieben Kinder zu zeugen.
3)
Jedenfalls nach den Sitten der Zeit. Gott kann souverän zum Dienst berufen, wen er will (Römer 9,11).
4)
Gott selbst vertreibt die Horiter!
5)
Eine Predigt über Schadenfreude, die das Verhalten der Edomiter bei der Belagerung Jerusalems durch die Babylonier beschreibt und sich durch das ganze Buch Obadja hangelt: https://audio.kassettothek.de/mp3/ktn01277.mp3
6)
Historisch wissen wir wenig über die Eroberung von Edom durch die Nabatäer, die ab dem fünften Jahrhundert v. Chr. stattgefunden hat. 185 v. Chr. werden sie von Judas Makkabäus geschlagen (1Makkabäer 5,3.65; 2Makkabäer 10,15-23) und 50 Jahre später müssen sie sich unter Johannes Hyrkanos I. beschneiden lassen. Das Ende der Edomiter, die später Idumäer genannt wurden, fällt mit dem Fall Jerusalems im Jahr 70 n.Chr. zusammen (Josephus, Jüdischer Krieg, 6.8.2).