2,18 Und der HERR eiferte für sein Land, und er hatte Mitleid mit seinem Volk. 2,19 Und der HERR antwortete und sprach zu seinem Volk: Siehe, ich sende euch das Korn und den Most und das Öl, dass ihr davon satt werdet; und ich werde euch nicht mehr zu [einem Gegenstand der] Verhöhnung machen unter den Nationen. 2,20 Und ich werde 'den von Norden' von euch entfernen und ihn in ein dürres und ödes Land vertreiben, seine Vorhut in das vordere Meer und seine Nachhut in das hintere Meer. Und sein Gestank wird aufsteigen, und aufsteigen wird sein Verwesungsgeruch, denn groß getan hat er.

Wir dürfen davon ausgehen, dass Joel mit seiner Mission erfolgreich war. Anscheinend kam es zur nationalen Buße, es wurde gefastet und die Priester beteten anstelle des bußfertigen Volkes. Gott erhörte das Gebet seines Volkes, hatte Mitleid und eiferte für sein Land. Es ist das Land, „auf das der HERR, […] achthat“ (5Mose 11,12) und so schickt er neu Korn und Most und Öl (vgl. Joel 1,10). Es erfüllt sich, was in 5Mose 11,13-15 verheißen ist: „Und es wird geschehen, wenn ihr genau auf meine Gebote hört, die ich euch heute gebiete, den HERRN, euren Gott, zu lieben und ihm zu dienen mit eurem ganzen Herzen und mit eurer ganzen Seele, dann gebe ich den Regen eures Landes zu seiner Zeit, den Frühregen und den Spätregen, damit du dein Getreide und deinen Most und dein Öl einsammelst. Und ich werde für dein Vieh Kraut auf das Feld geben, und du wirst essen und satt werden.“
Joel meint mit dem von Norden die Heuschreckenplage. Wegen der Tatsache, dass Heuschrecken zumeist aus dem Süden oder Südosten kommen, wird von Auslegern hier gern eine reale Armee in den Text hineininterpretiert (viele Invasionsarmeen sind tatsächlich aus dem Norden gekommen), aber das ist aus zwei Gründen nicht nötig: (1) Es gibt Beispiele für Heuschreckenplagen aus dem Nordosten1). (2) Joel 1,2 betont das Besondere dieser Plage. Eventuell ist nicht nur die Größe des Schwarms auffällig, sondern auch die Herkunft, denn der „Feind aus dem Norden2)“ ist mehr als nur ein Feind, der zufällig aus dem Norden kommt. Der Begriff trägt in sich einen apokalyptischen Unterton, weil er immer wieder für schlimmes Böses verwendet wird, das über Israel kommt (Jeremia 4,6.7; Hesekiel 38,15; 39,2)3).
Wie schon in 2Mose 10,19 wirft Gott die Heuschrecken ins Meer. Die Vorhut ins Tote Meer und die Nachhut ins Mittelmeer. Der Preis für den Segen Gottes ist der Gestank und der Verwesungsgeruch der ertränkten Heuschrecken4).
Warum wird den Heuschrecken vorgeworfen, dass sie groß getan haben? Waren sie nicht instinktgetriebene Zuchtrute Gottes (vgl. Jesaja 10,5)? Ich denke, dass Joel hier nicht den Heuschrecken eine wirkliche Verantwortung für ihr Tun zuschreiben will, sondern nur ein prophetisches Motiv aufgreift, das wir auch im Umgang Gottes mit Assyrien in Jesaja 10 finden: Wenn Israel Buße tut, wird jede Form von Großtun, Brutalität und Grausamkeit (vgl. das Verhalten der Assyrer in Jesaja 10,7.13) ein Ende finden.


1)
Allen, S. 88, erwähnt eine solche Heuschreckenplage, die 1915 über Jerusalem kam.
2)
Der „Norden“ ein auch ein Bild (wahrscheinlich abgeleitet aus der assyrischen Mythologie) für den Wohnort Gottes (Psalm 48,3; Jesaja 14,13). Einer „von Norden“ kommt also von bildlich gesprochen Gott.
3)
Außerdem steht der Text parallel zu den Joel 4,18-21 und dort geht es um leibhaftige aus dem Norden kommende Völker-Feinde.
4)
Der aufkeimende Segen und der Gestank der Spätfolgen unserer Sünde bilden auch in den Anfangsjahren nach der Bekehrung oft eine Einheit. Wie Lazarus treten wir aus dem Tod ins Leben, aber die Leichenbinden hängen noch an uns herab. Es braucht oft Jahre, bis Christen „ganz“ in den Segen Gottes hineintreten, sündhafte Verhaltensmuster überwinden, Schulden abbezahlen, Missbrauch überwinden und man das alte Leben nicht mehr „riechen“ kann. Dieser Zwischenzustand der Heiligung darf uns nicht entmutigen, sondern muss uns zu immer neuer Hingabe anspornen. Die Kennzeichen der Errettung sind: Segen - Vernichtung der Feinde - Verwesungsgeruch der Sünde.