2,14b Speisopfer und Trankopfer für den HERRN, euren Gott! 2,15 Blast das Horn auf Zion1), heiligt ein Fasten, ruft einen Feiertag aus! 2,16 Versammelt das Volk, heiligt eine Versammlung, bringt die Ältesten zusammen, versammelt die Kinder und die Säuglinge an den Brüsten! Der Bräutigam trete aus seiner Kammer und die Braut aus ihrem Brautgemach!

Beispielhaft am Verhalten des ganzen Volkes zeigt Joel das Verhältnis von Buße zur Gottseligkeit2) (Luther: Frömmigkeit). Die dritte Gefahr, mit der echte Buße zu kämpfen hat, ist die, dass sie sich aus der von Gott vorgegebenen, geistlichen Ordnung herauslöst, sich in einer „persönlichen Frömmigkeit“ gefällt und damit sehr nahe am Humanismus und an der Philanthropie angesiedelt ist. Aber geistliches Leben ist immer auch ein in Gemeinschaft eingebundenes und an bestimmten Riten teilnehmendes Leben3). Deshalb ist es für uns heute so normal, zu einer Gemeinde zu gehören, am Brotbrechen teilzunehmen und gemeinsam Lieder zu singen oder miteinander zu beten. Der „Leib Christi“ besteht aus unterschiedlichen Gliedern, die zusammen genommen den „Tempel Gottes“ (1Korinther 3,17) bilden, der am klarsten in einer Ortsgemeinde wahrgenommen werden kann (auch wenn die völlige Unabhängigkeit einer Gemeinde in allen Dingen kein biblisches Konzept darstellt).
Joel weiß, dass Buße und Tempel zusammen gehören. Was im Herzen anfängt und sich im Alltag fortsetzt, muss im Tempel gesehen werden4). Wenn es ihnen mit der Buße ernst ist, sollen sie Speisopfer und Trankopfer darbringen. Angesichts der akuten Notlage im Land ein gewaltiges Opfer, aber auch ein Ausdruck echten Glaubens. Wie die Witwe in Zarpat das letzte Mehl und das letzte bisschen Öl für den Propheten Elia zubereitet, um dann zu erleben, wie sie übernatürlich versorgt wird, so sollen die Israeliten dem Tempel als Opfer geben, was sie eigentlich selbst brauchen, um damit die Grundlage für eine übernatürliche Rettung zu legen. Für echte Buße ist kein Opfer zu groß! Sie ist von Gehorsam geprägt (Johannes 14,21).
Aber Speisopfer und Trankopfer sind nur der Anfang. Es braucht eine nationale Buße5) und deshalb: Blast das Horn auf Zion, heiligt ein Fasten, ruft einen Feiertag aus! Das Volk soll sich sammeln. Alle sollen kommen, von den Ältesten bis zu den Säuglingen. Im Angesicht völliger Vernichtung wird jeder und jede gebraucht. So ernst ist die Situation, dass Frischverheiratete, die sonst von allen staatlichen Pflichten befreit waren (5Mose 24,5), ihr Recht auf Zweisamkeit und Freude hinten anstellen müssen, um mit allen Anderen zu dem HERRN um Hilfe zu schreien.


1)
Mit Blick auf den Gottesdienst übernimmt das Horn jetzt die Funktion einer Kirchenglocke, die die Gläubigen sammelt.
2)
Siehe Fußnote zu „Gottseligkeit“ bei Joel 2,13.
3)
Die sich je nach Bund unterscheiden können. Der Alte Bund hatte andere kultische Regeln als sie der Neue Bund hat. Nichtsdestotrotz ist eine Bekehrung immer eine Bekehrung hin zu der aktuellen Gemeinschaft der Heiligen. Deshalb kommt zur Buße an Pfingsten auch die Taufe auf den Namen Jesu Christi (Apostelgeschichte 2,38), um „aus diesem verkehrten Geschlecht“ (Apostelgeschichte 2,40) heraus, der Gemeinde „hinzugetan“ (Apostelgeschichte 2,41.47) zu werden.
4)
Und im restlichen Leben, von dem der Tempel nur der kultische Mittelpunkt ist. Gott sucht nicht die Sonntagschristen und Montagsteufel! Was im Zentrum des Lebens, d.h. im Blick auf die Gottesbeziehung beginnt, muss seine ganzheitliche Realisierung im Alltag finden. Ohne ein Umkehr zu Gott bleiben wir geistlich tot, aber eine Buße, die nicht unser ganzes Leben umfasst, ist eben auch nicht echt.
5)
Hier unterscheidet sich der Alte Bund, der mit dem Volk (!) Israel geschlossen wurde (2Mose 24,3) deutlich vom Neuen Bund, in dem der Einzelne eine Entscheidung für den Glauben an Gott treffen muss, um so zum Kristallisationskeim für neue Glaubensentscheidungen zu werden (Apostelgeschichte 16,31).