Sprüche 30,18

Sprüche 30,18-20

Drei sind es, die mir zu wundersam sind, und vier, die ich nicht verstehe: *der Weg des Adlers1) am Himmel, der Weg einer Schlange auf dem Felsen, der Weg eines Schiffes im Herzen des Meeres, und der Weg eines Mannes mit2) einer Jungfrau. * So ist der Weg einer Ehebrecherin3): Sie isst, und wischt ihren Mund ab und spricht: „Ich habe kein Unrecht begangen!“

Agur beschreibt jetzt das uneinsichtige Verhalten einer typischen Ehebrecherin. Aber er beginnt wieder mit einem numerischen Parallelismus, bei dem einmal mehr die Zahlen selbst keine Bedeutung haben.

Auf der einen Seite stehen für Agur vier „Wege“, die ihn begeistern, die ihm zu wundersam sind, die er nicht ganz begreift; Dinge, die außergewöhnlich sind, dem Betrachter die Grenzen seines Verstehens offenbaren und in die Anbetung führen (vgl. Hiob 42,3). Die Schöpfung mit ihren Ordnungen darf uns immer wieder den Atem rauben und wir dürfen uns unserer Geschöpflichkeit bewusst werden.

Was begeistert Agur? Da ist zuerst der Flug des Adlers am Himmel, der anscheinend mühelos den Gesetzen der Erdanziehung trotzt und endlos seine Kreise zieht. Dann die Schlange, die keine Arme und Beine hat und doch auf dem Felsen dahingleitet. Aber nicht nur die Natur ist faszinierend, sondern auch der Mensch mit seinen Erfindungen, die es ihm ermöglichen die Weiten des Ozeans zu erforschen. Technik, Kreativität, Schöpferkraft und Mut. Wenn man sich vor Augen hält, was Menschen zu schaffen im Stande sind. Manches davon ist einfach nur großartig.

Welche Erfindungen und Leistungen von Menschen rauben dir den Atem?



Zum Schluss beschreibt Agur den Moment, wenn ein Mann und seine Frau das erste Mal miteinander schlafen. Es geht ihm um das Kribbeln sexueller Anziehung, die sich auf geheimnisvolle und berauschende Weise in der Hochzeitsnacht entlädt4) .

Die vier Dinge, die Agur beschreibt, hinterlassen keine Spuren. Sie sind in sich außergewöhnlich und rätselhaft5), aber wenn der Adler vorbeigeflogen, die Schlange dahingeglitten, das Schiff übers Meer gesegelt und das Pärchen am Tag danach erwacht ist, dann bleibt von der Erfahrung nichts als die Erinnerung.

Und noch etwas hinterlässt keine Spuren bzw. legt es bewusst darauf an, keine Spuren zu hinterlassen: die Ehebrecherin. Für sie ist das Fremdgehen keine Sünde, sondern wie ein Mittagessen – ein kurzer Moment des Genusses, der vorüber geht und für den man sich nicht zu schämen braucht. Wie man beim Essen den Mund abwischt, um Essensreste zu entfernen, so hinterlässt sie keine sichtbaren Spuren ihres unmoralischen Lebenswandels. Sie ist völlig uneinsichtig und versteht überhaupt nicht, warum irgendjemand ihr Verhalten falsch finden könnte.

Wie Agur den Flug eines Adlers, die Bewegung einer Schlange, die Schifffahrt oder die Begeisterung beim ersten Sex nicht durchschaut, so begreift er auch nicht, was eine Ehebrecherin dazu bringt, ihre Sünde so zu verharmlosen. Fakt ist nur: Sie tut es! Eine Ehebrecherin hat kein Unrechtsbewusstsein. Ihr Lebensstil ist von Ignoranz, Selbstgerechtigkeit und Uneinsichtigkeit geprägt. Wer ihr begegnet hat nur eine Chance: Schnell wegrennen (vgl. Sprüche 5.7).

Kennst du drei Serien für Erwachsene, in denen es keinen Ehebruch gibt, weil man ihn für falsch hält?



1)
In Sprüche 30,17 mit Geier übersetzt.
2)
Wahrscheinlicher: in; ich lasse das mit stehen, weil in entweder total sexistisch oder unverständlich rüberkommt.
3)
Wörtlich: ehebrecherischen Frau. Das Prinzip von der absoluten Gewissenlosigkeit der Ehebrecherin lässt sich natürlich auch auf Ehebrecher übertragen.
4)
In der Poesie ist das erste Mal immer ganz besonders. In der Realität dagegen ist es häufig eher nicht so toll. Siehe zu dem Thema auch in meinem Kommentar zum Hohelied 4,7-5,1. https://www.frogwords.de/bibel_at_nt/hohelied/kommentar/die_hochzeit/ hohelied_4_7
5)
In Sprüche 30,15.16 werden Beispiele aus der Natur und der Gesellschaft gebracht, um zu zeigen, dass man sehr vorsichtig sein muss, wenn man zu schnell die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens von einem Beispiel auf ein anderes überträgt. Dass etwas irgendwo geschieht und normal ist, heißt noch lange nicht, dass es erlaubt wäre. Dasselbe gilt hier für eine Argumentation, die darauf aufbaut, dass ein Verhalten überraschend und unerklärlich ist. Weil ich nicht begreife, wieso jemand sich so verhalten kann, wie er es tut, heißt das nicht, dass es richtig ist.