Apostelgeschichte 7,38.53: Wie wurde das Gesetz am Sinai offenbart? Durch Gott (so z.B. 2Mose 20,1) oder durch (einen) Engel (Apostelgeschichte 7,38.53)?

Eine wichtige Vorbemerkung vorweg: Stephanus präsentiert uns hier seine (!) Sicht der Geschichte nach bestem Wissen und Gewissen. Oder anders ausgedrückt: Religion ist in der Beschreibung von Inhalten nicht so starr wie die Mathematik. Wer heute an Weihnachten in die Kirche geht und ein Krippenspiel erlebt, wird dort meistens auf die „Heiligen Drei Könige“ treffen; und das, obwohl man in der Bibel nur von „Weisen aus dem Morgenland“ hört (also weder „heilig“ noch „drei“ noch „Könige“) und an Weihnachten waren sie mit größter Wahrscheinlichkeit auch nicht bei Jesus, sondern sie kamen deutlich später. Es gibt in jeder Religion also eine Spannung zwischen dem, was tatsächlich aufgeschrieben ist und dem, was geglaubt wird. Das ist einer der Gründe dafür, warum es gut ist, regelmäßig die Bibel zu studieren und das Geglaubte am Geschriebenen zu überprüfen. Wenn Stephanus in seiner Rede von dem abweicht, was in der Bibel steht (und er tut das an einigen Stellen), dann ergibt sich daraus kein Widerspruch innerhalb der Bibel, sondern wir erfahren etwas über unterschiedliche Erzähltraditionen von biblischen Geschichten. Die Schriftgelehrten und Mitglieder des Hohen Rates stören sich beispielsweise nicht an den vermeintlich schiefen Details, sondern nur an der Gesamtaussage der Rede, obwohl sie sonst sehr viel Wert auf Detailfragen gelegt haben.

Was die Frage angeht, so muss man wissen, dass „Engel“ die Übersetzung eines griechischen Wortes ist, das auch einfach „Bote“ bedeuten kann. Zur Zeit des Neuen Testaments betrachteten die Juden „Weisheit“ als einen Boten, durch den der transzendente Gott seine Gebote überbrachte. Die Rabbis (Pesiq R 21) sprachen davon, dass die Engel herabstiegen, als das Gesetz gegeben wurde. Außerdem ist die Frage, wie Mose eine Begegnung mit Gott überlebt haben soll (vgl. 2Mose 33,30) interessant. Es liegt nahe, davon auszugehen, dass Gott eine Zwischeninstanz benutzte, um seine Gebote zu übermitteln. Aber unabhängig davon ist Stephanus für seine Formulierung kein Vorwurf zu machen, weil er lediglich das gängige Denken seiner Zeit widerspiegelt.

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